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Das Royal Danish Orchestra.

Besser: Det Kongelige Kapel. Wow. Die Kapelle gibt es schon seit 1488. 1488 tendierte die Zahl der Berliner, die Noten lesen konnten, wohl gegen Null. Aha. Hier also war Carl Nielsen ab 1889 Geiger. Für Kenner dänischen Orchesterklanges mag Nielsens Geige bis heute durch das Orchester geistern. Und sicherlich zählte Prinz Hamlet seinerzeit zu den bevorzugten Dirigenten der Abo-Reihe.

Es ist nicht schlecht, neben Nielsens Fünfter ein Werk eines weiteren Dänen zu hören. Per Nørgårds Iris ist ziemlich interessant. Das Stück ist von 1966. Es ist relativ einfach zu hören und verfügt über einige frappante Stellen. Einmal der Beginn, ein etagenweise angeordneter Klang, der klingt wie gefrorener Honig. Und dann die sukzessiven Wellen von Spannung und Entspannung, die das Werk unauffällig gliedern und in deren letzter das Blech im Forte so charakteristisch meditativ gedämpft klingt.

Die Dänen spielen Arnold Schönberg, Musikfest oblige. Ich höre Schönbergs Erwartung. Petra Lang singt nicht. Es singt Magdalena Anna Hofmann, textverständlich, technisch souverän, locker die Mitte zwischen Ausdruckshitze und Klangschönheit haltend. Dirigent Michael Boder sorgt für eine klar disponierte Wiedergabe. Die Erwartung ist und bleibt ein Fokuspunkt des lupenreinen wienerischen Expressionismus.

Carl Nielsens symphonisches Werk kann man, frei nach Glenn Gould, zum nachromantischen sinfonischen Optimismus zählen. Das dürfte auch für die Sinfonie Nr. 5 gelten, ungeachtet des weltkriegnahen Uraufführungsdatums 1922. Charakteristisch: die Vorliebe für ausgedehnte fugale Syntax, die vierschrötigen, bäuerlichen Extasen der Themen, die kantige Schmissigkeit der Codathemen, überhaupt ein scharfkantiger Folkorismus, wenn es auch schwierig sein dürfte, das Dänische verlässlich zu benennen. Das Royal Danish Orchestra spielt authentisch, bewältigt den satzüberspannendem Spannungsaufbau auf unwiderstehliche Art, beseelt die karge Faktur, erlaubt solistisches Aufblühen.

Michael Boder, Chef der Dänischen Oper, Hauptwirkungsstätte der Kongelige Kapel, leitet hellwach. Die Kongelige Kapel spielt in amerikanischer Aufstellung, Geigen links, Bässe rechts. Boder, heuer leicht gerötet, hat als Dirigent der Uraufführung von Henzes Phaedra weiterhin meine Sympathien.

Die schiere Unverwechselbarkeit des Personalstils allein sichert Nielsen die Stellung unter den wichtigen Sinfoniker des 20. Jahrhunderts, und das ungeachtet weiterer netter Argumente, die für Nielsen sprechen, wie dessen ideelle Souveränität oder emotionale Kraft. Es wäre eine gute Idee gewesen, auch die ersten beiden Sinfonien Nielsens sowie dessen Sechste im Original beim Musikfest hören zu können, mmh, Herr Hopp?