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Musikfest. Matthias Pintscher dirigiert die Berliner Philharmoniker mit einem Programm ohne den Musikfest-Fokus Nr. 1 Nielsen, dafür aber mit Musikfest-Fokus Nr. 2 Schönberg, sodann noch mit Pintscher und einem kleinen Frankreich-Schwerpunkt.
Am besten dirigiert Pintscher heute Abend Pintscher. Dem Violinkonzert, es trägt den Titel Mareh, möchte man wieder begegnen. Das Werk ist eher streng strukturiert. Pianissimo-Kultur des Solisten und metallische Farbspektren der Instrumentengruppen prägen das Werk. Den insgesamt starken Eindruck verstärkt Renaud Capuçon, indem er dem poetisch stringenten Werk seinen fulminant kontrollierten Ton leiht und ihm lebhaften Applaus erspielt.
Nicht unbekannt, doch selten gespielt ist Arnold Schönbergs zweite Kammersymphonie, sein Opus 38. Das mag am gedämpften, streichersatten Timbre liegen, aber auch daran, dass sich der für Schönberg charakteristische Streit zwischen Logik und Leidenschaft bei op. 38 zugunsten der Logik entscheidet, was nicht gegen die Qualität des Werkes, wohl aber gegen seine Eingängigkeit spricht.
Zum Französischen hin ergänzen Gabriel Faurés Pelléas-Suite und Debussys La Mer das Programm. Zu Beginn Faurés Pelléas et Mélisande, das in jedem Takt eine Aura von pureté und clarté umgibt. Das ist voller intimer Geistigkeit! Welch transparente Kontrapunkte!! Dieses ganze Mittelalter-Disneyland ist eine Wucht. So viel modernes Strukturbewusstsein steckt darin. Alors? Tipp vom Fachmann für Kenner: Rattle dirigierte es hundertmal ausdetaillierter und tausendmal anrührender.
Gleiches gilt für Claude Debussys La Mer, das die Berliner Philharmoniker, von Pintschers klarer, umstandsloser und umsichtiger Zeichengebung ermuntert, wenig zimperlich anpacken. Die Höhepunkte erklingen dynamisch gnadenlos hochgeregelt. Schwerer wiegt, dass der atmende Kontur, das Gefühl für Prozesse und auch Debussys traumwandlerische souplesse zu kurz kommen, was der Distinktheit der Charaktere abträglich ist, und ebenso der Entfaltung der Klangfarben, wenn auch die Üppigkeit im Detail grundsätzlich da ist. Heute höre ich einen Debussy mit derbem Biss. Dennoch oder vielleicht wegen der Härte Pintschers funktioniert die außergewöhnliche Werkperspektivik, weist Wege zwischen Schönberg und Fauré, zwischen Debussy 1905 und Pintscher 2015.
Altmeister Andreas Blau bläst erneut die Flöte und heimst lauten Applaus ein. Wer war der Solohornist? Überhaupt sitzen auf den philharmonischen Stühlen etliche Nicht-Philharmoniker, ein Tribut, der der Ressourcen-fordernden, traditionellen, spätsommerlichen Reisetätigkeit gezollt ist, die sich die Berliner Philharmoniker zwischen Saisoneröffnung und Musikfest Berlin auferlegen.
Das Programm war großartig, ich stimme zu. Die spannende und so anrührende Kammersymphonie Nr. 2 von Schönberg zwischen Fauré und Debussy sowie das Werk für Violine und Orchester von Pintscher, das mir persönlich sehr gut gefallen hat – es war ein unbedingt hörenswertes Konzert gestern Abend. Pintscher ist einer der Komponisten, die wirklich etwas zu sagen haben. In puncto Programmaufbau begnügen sich die Berliner Philharmoniker bei Rattles anstehendem Beethoven Zyklus leider nur mit Beethoven. Das war auch schon mal anders, als Rattle die Beethoven Sinfonien intelligent mit Webern gekoppelt hat.
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War halt ein schnelles La Mer. Der Dirigent muss nicht immer Farbe und Klang betonen
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