Es zieht sich. Unerwarteterweise steht der Nachfolger für Berliner-Philharmoniker-Chef Simon Rattle um 21.06 Uhr immer noch nicht fest.
Die Bekanntgabe des Nachfolgers für Simon Rattle war im Laufe des Tages immer wieder verschoben worden. Zuletzt sollte das Wahlergebnisses um 19.30 Uhr bekannt gegeben werden. Zuvor ließen die Philharmoniker weitere angekündigte Termine für die Bekanntgabe um 14 Uhr, um 16 Uhr, um 18:30 Uhr und um 19.30 Uhr verstreichen. Im Laufe des Spätnachmittages gab es erste Gerüchte, dass der lettische Dirigent Andris Nelsons gewonnen habe. Unter andrem twitterte der Account von Sarah Willis, Hornistin der Philharmoniker, dass „Nelsons did it.“ Kurze Zeit später dementierten die Philharmoniker eine Einigung („disregard rumours“). Kurz nach 19 Uhr twitterten Alban Gerhardt und Lang Lang Gratulationen an Nelsons. Gerhardt dementierte kurze Zeit später. Lang Lang und Willis löschten ihre diesbezüglichen Posts. Willis‘ Account war wohl Opfer einer Hacker-Attacke geworden.
Kein Wunder, dass es die ersten Falschmeldungen gab. Sarah Willis‘ Account machte den Anfang. Wehe, es wird jetzt nicht Nelsons. Dann darf Willis wegen dieses Flop-Tweets in den nächsten 24 Monaten kein Hornsolo mehr blasen. Oder war das ein Fake-Tweet?
Alban Gerhardt ist eine ehrliche Haut. Er löscht nichts. Er entschuldigt sich nur.
Anders Lang Lang. Er gratuliert zuerst und löscht dann schnell wieder.
Je mehr sich die Wahl in die Länge zog, desto nervöser wurden die Berliner. Hier eine Auswahl der charmantesten Tweets.
Die Berliner Philharmoniker wählen als einziges renommiertes Orchester der Welt ihren Chefdirigenten selbst. Allein die Musiker mit Festvertrag sind wahlberechtigt. Am Montag waren laut berliner-philharmoniker.de 123 Musiker anwesend. Die Mitnahme von Handys in die Wahlräumlichkeiten war den Musikern untersagt. Die Wahl Andris Nelsons‚ galt als am wahrscheinlichsten. Der Lette hätte das Berliner Orchester im Fall seiner Wahl 2018 übernommen. Damit wäre Nelsons Nachfolger von Simon Rattle geworden.
Rattle hatte im Herbst 2013 angekündigt, seinen bis 2018 laufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen. Nelsons war nach der Absage von Daniel Barenboim sowie nach den vor kurzem bekannt gewordenen Vertragsverlängerungen von Mariss Janosns und Gustvao Dudamel endgültig zum aussichtsreichsten Kandidaten für die Rattle-Nachfolge aufgerückt. Laut Berliner Philharmoniker hatte die Wahl um 10 Uhr in der Berliner Jesus-Christus-Kirche begonnen. Der Wahlort war erst heute morgen bekannt gegeben worden. Andris Nelsons ist 36 Jahre alt und stammt aus Lettland. Nelsons ist seit 2008 Chef des City of Birmingham Symphony Orchestra. Seit 2014 leitet er zudem das Boston Symphony Orchestra.
Hoffentlich ist Bayern-Barca morgen genauso spannend. Aber langsam wird es komisch. Hoffen wir auf Nelsons.
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OMG. Suspense
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Der tweet von Sarah Willis ist wohl ein fake:
http://klassiker.welt.de/2015/05/11/kein-rauch-berliner-philharmoniker-brechen-chefdirigenten-wahl-ab/
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Das klingt bei ruhiger Betrachtung wahrscheinlich. Man kann sich kaum vorstellen, dass Frau Willis das Ergebnis leakt, bevor es nicht in trockenen Tüchern ist.
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Ist vielleicht ganz gut so, dass sie es für heute sein lassen. Dann kehrt Ruhe ein. Jeder kann in sich gehen. Die Pro-Thielemanns können über Nelsons nachdenken. Die Pro-Nelsons können über Thielemann nachdenken. Passt. Und in 2016 trifft man sich wieder.
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Wenn es stimmt, was die Berliner Spatzen von den Dächern pfeifen, dann war ein Kompromiss zwischen Thielemann und Nelsons unmöglich. Ist doch gut, wenn das Orchester so ehrlich ist und sich nicht einigt. Sogar eine einjährige Vakanz wäre denkbar. Warum nicht, wenn es dem Orchester dient?
Thielemann hätte ja wohl ja gesagt. Nelsons könnte sein letztes Bostoner Jahr und sein erstes Berliner reise- und zeittechnisch wohl irgendwie managen. Aber was, wenn er nicht ja sagen wollte? Chailly kann ich mir nicht richtig vorstellen.
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Nee, Thielemann. No way. Chailly schon eher. Vorschlag: Barenboim übernimmt die Phillies kommissarisch für 2 Jahre. Proben braucht Barenboim quasi nicht. Alle Brucknersinfonien macht er auswendig. Deshalb kann er auch ideal das deutsche Repertoire abdecken. Und das wären aber ganz sicher zwei schöne Saisons in der Philharmonie.
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Ich erinnere mich. Das erste Mal Thielemann in der Philharmonie war mit den Wienern, Bruckner 8. Fand ich damals tödlich langweilig. Inzwischen schätze ich Thielemann durchaus und könnte gut mit Thielemann leben. Nicht bei Bruckner, hier finde ich Thielemann schlicht fantasielos. Aber was er bei Mozart, Reger, Henze, Strauss macht, ist gut, und auch der Liszt vom Januar war sehr hübsch. Thielemann macht auch Ruzicka, Gubaidulina, etc. Aber sein Beethovenzyklus mit den Wienern in der Philharmonie war wiederum nicht meine Sache, was auch für die jüngste Eroica mit den Berlinern gilt. Tja, gerade beim typischen Thielemannrepertoire schwächelt Thielemann.
Chailly ist OK, aber Chailly wäre wie die jüngste Deutsche-Bank-Entscheidung: nicht Fisch, nicht Fleisch, kein Mut.
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Cool. Sarah Willis Twitter-Account gehackt :-) Und übrigens, ich nehme gerne Thielemann.
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Man darf sich glücklich schätzen, dass die Berliner um Nelsons und Thielemann kämpfen. Unlängst wählte das Amsterdamer Concergebouworkest Daniele Gatti als Nachfolger für den unvergleichlichen Jansons. Bei allem Respekt für den wunderbaren Dirigenten Gatti, den ich aufrichtig schätze, gehört Gatti doch in die Reihe von Musikern, für die Schönklang Priorität Nr. 1 ist. Und ob das reicht, um den Philharmoniker-Posten in angemessener Weise zu besetzen und vor allem um dem Orchester die nötigen Impulse zu geben um sich weiterzuentwickeln, daran habe ich meine Zweifel. Ich kann die Entscheidung des Concergebouw in dieser Sache auch nicht nachvollziehen. Es kann durchaus sein, dass die Niederländer von der Absage durch Jansons kalt erwischt wurden und vor dem selben Probelm standen wie die Berliner jetzt. In diesem Fall ist die Vertagung der Entscheidung durch die Berliner Philharmoniker zu begrüßen.
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Jetzt hatten die 2 Jahre Zeit um zu sondieren und die Wahl vorzubereiten… Wenn sich diese Pattsituation bereits im Vorfeld abgezeichnet hat (was einigermassen wahrscheinlich ist) war es ein taktischer Fehler, vor den Augen der Weltpresse ein Treffen abzuhalten an dessen Ende man mit lehren Händen dasteht. Nachdem die wichtigsten Konkurrenten zuletzt abgewinkt oder ihre Verträge anderenorts verlängert haben, ging Herr Thielemann als klarer Favorit ins Rennen und hätte auf jeden Fall zugesagt wenn man ihn nur gefragt hätte. Das Ergebnis ist daher in erster Linie ein Nein zu Thielemann. Kaum zu glauben, dass sich das in einem Jahr geändert haben wird und relativ wahrscheinlich, dass Thielemann jetzt sauer und gekränkt ist – Celibidache und Maazel lassen grüssen. Auch die anderen Kandidaten der engeren Wahl dürften sich nicht gerade geschmeichelt fühlen: offenbar beurteilt man sie allesamt als unzureichend – von einer Wiener Variante, zukünftig generell ohne Chef zu arbeiten war ja nicht die Rede. Sinn machen würde das ganze nur wenn man nun Petrenko ein Jahr Zeit gäbe um sich dem Orchester wieder anszunähern um ihn dann zu verpflichten. Wäre ohnehin die beste Wahl.
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Ich sehe die misslungene Wahl weder als Katastrophe für das Orchester noch als PR-Desaster. Da wird viel Wirbel gemacht. Worum geht es hier eigentlich?
1. Thielemann ist beleidigt.
Warum das denn? Wenn ein Dirigent wirklich der Meinung sein sollte, allein er und kein anderer verdiene es, der Neue zu werden, dann leidet der Mann eben an Größenwahn. Jeder Dirigent weiß, dass es in einem Orchester verschiedene Fraktionen gibt. Abbado musste das erfahren, Rattle hatte daran in den letzten 13 Jahren ohne Zweifel zu knabbern. Thielemann ist ja nicht blöd. Er weiß, dass er polarisiert und er hilft ja auch noch gerne dabei mit.
2. Alle anderen sind ebenfalls beleidigt
Wenn aufgrund unterbliebener Anrufe am Montag Abend Kränkungen fortbestehen sollten, dann bitte schön. Wer wie Maazel, der 1989 Unterlegene, auf Autopilot schaltet und jahrelang im Beleidigte-Leberwurst-Modus durch die Geschichte gurkt, ist selbst schuld. Barenboim, der 1999 Unterlegene, dirigierte und dirigiert die Philharmoniker in der Ära Rattle gerne und oft. Auf diesem Niveau wäre jeder Kuschelkurs seitens des Orchesters fahrlässig. Dirigenten sind mitunter ebenfalls knallhart und lösen Verträge vorzeitig auf. Siehe Myung Wung Chung (Rom), siehe Janowski (Berlin), siehe Maazel (München), siehe Barenboim (Mailand), siehe Kamioka (Wuppertal).
3. Der Ruf des Orchesters ist beschädigt
Dass die 123 sich nicht entscheiden konnten, spricht für die Leidenschaft der Philharmoniker, nicht gegen ihre Verlässlichkeit. Gut möglich, dass die geplatzte Wahl dem perfektionistischen Image der Philharmoniker ein paar Kratzer zugefügt hat. Das ist nicht weiter schlimm. Der ganze Hype wird dem Renommee des Orchesters tendenziell eher genutzt haben.
4. Jetzt ist alles perdü
Die Philharmoniker haben noch drei Jahre Zeit. Das sind rund 1600 Ringe des Nibelungen. Das dürfte auch für weniger bekannte Orchester genug sein, um sich auf einen neuen Chef zu einigen. Und überdurchschnittliche Blödheit wird man den Herren und Damen Philharmonikern ja nicht nachsagen wollen.
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No time stamp on Sarah Willis‘ tweet. Looks like fake
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