Musikfest, Nr. 6.
Lutosławski 3. Sinfonie.
Lutosławskis Dritte hat Simon Rattle im Vorjahr bekannt gemacht. Heute geht der Blick von der klaren Dramaturgie, dem Vier-Schläge-Motiv und der reichen Textur auf Details, als da wären aggressive oder floatende Mini-Motiv-Strukturen, je nachdem, Holzbläser-Wölkchen auf flexibel fließenden Streicherklängen und unverblümte Kraftakte. Dabei sorgt eine übergeordnete Klarheit für stets gespannte Aufmerksamkeit bei mir. Ja, sie sind britisch, diese Musiker. Die Gewalt des Fortissimo-Blechs hat viel Rooney und wenig Özil.
Das Philharmonia Orchestra unter Salonen. Die Orchesterschläge dirigiert Esa-Pekka Salonen mit effektvoller und zugleich schmuckloser Abwärtsgeste, die die Musiker scheinbar nicht richtig davon überzeugt, eine perfekt konzertierte Aktion durchzuführen. Andererseits ist Salonens nervös-konzentrierte Art ein Erlebnis für sich. Nach dem letzten Ton konzentriert sich Salonen für einige Momente auf die eigene Erschöpfung.
Es irritiert mich, dass einer der Schlagwerker zwischen seinen Instrumenten auf Zehenspitzen hin und herschleicht, Brille und Notenpapier in der Hand. So viel zur 3. Sinfonie.
Lutosławskis Espaces du Sommeil leiden unter Matthias Goernes gaumigem Französisch – so beeindruckend sein Zugang zu diesen Schlafräumen auch sei – und meinem seitlichen Platz in F links. Ich verstehe kein Wort.
Es ist immer wieder erstaunlich, welche Enttäuschungen ein Konzertabend bereithalten kann. Heute Abend sind es zwei. Nummer eins: Die Londoner sind nicht für Debussy gemacht. Klimatische und andere Gründe stehen dem anscheinend entgegen. In Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns klingen die einsetzende Flöte, dann das Horn undurchsichtig. Das Orchester hat nich so richtig dolle Lust auf frickelige Details. Naja, Schwamm drüber. Aber rhythmisch herrscht auch leichte Uninspiriertheit.
Nummer zwei: keine Zugabe. Ist es so weit mit der englischen Höflichkeit gekommen? Hätten diese da**ed Londoner nicht at least eine lausige Fledermausouvertüre spielen können, geschweige denn einen Elgar. Ich zitiere Ozzy Osbourne: „Whenever shit happens, there is nothing you can do about it.“
Debussy und Ravel spielen die Musiker mit 11-11-6-6-5-Streicherbesetzung, Lutosławski mit 12-12-10-8-6. 1 Frau bei den Bässen. Salonen dirigiert vor der 2. Sinfonie stablos und etwas kurios. Salonens Hände bewegen sich auf einem Raum von 10 x 10 cm direkt vor seiner Brust. Geht es hoch her, erweitert Salonen den Raum auf 20 x 20 cm.
Die vier Pauken klingen komisch, etwas unecht, etwas nach Lidl.
Esa-Pekka Salonen war nach der Pause wie verwandelt, besonders als es an den Lutoslawski ging. Wie Salonen den Debussy dirigierte war doch befremdlich. Da gab es keine freie Geste. Als wäre das Musik aus der Puppenstube. Ich dachte sofort an Bonsai, Japan etc. und der Eindruck verleidete mir den Genuss der Musik. Zuerst dachte ich noch, Salonen und das Philharmonia Orchestra verstehen sich so gut, dass er auf die große Geste verzichten kann. Debussy kam total spannungslos, die Streicher waren so was von fluffig.
Aber dann kam ja der zweite Teil mit Lutoslawski. Rückblickend muss ich leider sagen, dass Prokofiev oder meinetwegen Beethoven dem Londoner Orchester besser gelegen hätte. Das englische Orchester klang jedenfalls herber als was man sonst in Berlin hört.
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Leider braucht Ihr Rezensent noch einige Unterrichtsstunden in öffentlicher Wahrnehmung. Er hat keineswegs das Royal Philharmonic Orchestra gehört – und vermutlich gesehen – sondern das Philharmonia Orchestra. Oder hat er vielleicht das Ganze nur geträumt?!
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OK, die Stunden nehme ich.
Ist aber auch schwierig mit dem Philharmonia Orchestra und seinen 3 Umbenennungen
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Tut mir Leid, aber auch dieser Einwurf ist sachlich nicht richtig. Es gibt keine drei Umbenennungen. Das Philharmonia Orchestra wurde 1945 gegründet, 1964 aufgrund der Zerwürfnisse mit dem Gründer Walter Legge in New Philharmonia Orchestra umbenannt und 1977 nach einer gerichtlichen Einigung in die ursprüngliche Bezeichnung zurückgeführt. Das Royal Philharmonic Orchestra ist ein völlig anderes Orchester.
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Danke für den nochmaligen Kommentar. Niemand will mit falschem Namen angeredet werden, das ist sicherlich noch weniger der Fall, wenn es sich um Orchester handelt.
Wahrscheinlich habe ich es hier mit einem Mann vom Fach zu tun, aber ich finde die Umbenennungen in „New“, dann in „The“, dann wieder zurück in „Philharmonia“. Dass das RPO und Philharmonia Orchestra zwei verschiedene Paar Stiefel sind, müsste mir im Normalfall jedoch geläufig sein.
Grüße
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