Musikfest, Nr. 5

Lutosławskis Zweite ist gut. Sie klingt, sie ist kurz, sie hört sich an, als hätte sich Lutosławski bei der Komposition etwas gedacht. Das ist der Grundeindruck. Im Folgenden die Details. Die trickreiche Gliederung des 1. Satzes halte ich für extrem gelungen, obwohl ich kein Experte für polnische Musik der späten Sechziger Jahre bin. Es ist mir keine Sekunde langweilig.

Ich könnte das Teil von jetzt an bis Dezember jede Woche einmal hören. Aber bitte nur mit den Philharmonikern. Gegen die Zweite wirkt das Konzert für Orchester, gestern mit dem Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks gehört, wie eine prätentiöse Jugendsünde. Das Blech beginnt, dann die drei Flöten, dann die drei Oboeninstrumente, dann die vier gestopften Hörner. Es dauert, bis die Streicher ran dürfen. Instrumentation und Form (was kommt wann und nach was und in welcher Gestalt?) sind zum Zungeschnalzen.

Die folgenden Lieder eines fahrenden Gesellen erklingen in der Schönbergschen Bearbeitung, die präzis und ausgedünnt wirkt. Das Tempo ist langsam (ich weiß, Tempo ist Bauchsache). Christian Gerhahers (Bariton) Interpretation vermittelt zwischen der unerträglichen Neoromantik der Texte und sorgfältiger Textdeutung einigermaßen erfolgreich.

Der stärkste Programmschnitzer war die Glagolitische Messe.

Die Langeweile, die die Glagolitische Messe verbreitet, trifft mich unvorbereitet – aber „Man weiß nicht, was kommt“, wie Ozzy Osborne gerne sagt. In der Glagolitischen Messe ist das Ostinato in Streichern und Bläsern fast so allgegenwärtig wie das ostinate Metronom-Geticker in Ligetis Poème symphonique. Das ist ganz schön harter Tobak. Christian Gerhaher singt mit deutscher Deutlichkeit, Luba Orgonášová fügt einen Schuss gut gelaunter slawischer Extrovertiertheit hinzu. Stuart Skelton hat gelungene ekstatische Momente (wie Skelton die expansiven Töne in der höchsten Lage meistert, ist bewundernswert). Mihoko Fujimura nutzt ihre sparsam verteilten Einsätze sorgfältig. Das Solistenquartett liefert sich einen hübschen Schlagabtausch mit dem Tschechischen Philharmonischen Chor Brünn, der hierfür aufgrund des hitzigen Charakters seiner Mitglieder gut vorbereitet scheint.

Gefühlsmäßig gehört Janaceks Messe zur jener Gattung „neoromantische Orchesterkantate für Solisten, gemischtem Chor und Orgel“, die mit Mahlers 8. den Höhepunkt erreichte und überschritt und Ende der 1920er deutlich angestaubt gewirkt haben musste.

Simon Rattle dirigiert. Es ist eine Wohltat, die Philharmoniker nach den doch gar nicht so schlechten Orchestern der vergangenen Tage zu hören.

Ja, die Philharmoniker. Konzertmeister Guy Braunstein ist nicht mehr dabei. Oboist Andreas Ottensamer ist doch dabei, nur heute Abend nicht. Immer noch keinen zweiten Solo-Hornisten gefunden.