Schau an. Leonidas Kavakos hat lange Haare. Meiner Begleiterin gefällt das wenig („unmännlich“). Ich denke, Kavakos lange Haare haben was. Kavakos sieht aus wie der Sergio Ramos von Real Madrid, nur dass er eine Geige unterm Arm trägt und keinen Fußball, als er reinkommt. Was die Länge der Haare angeht, dürfte Kavakos in Kürze zu Anne-Sophie Mutter aufgeschlossen haben. Fehlt nur noch das Extra Strong Hold Spray von Frau Mutter. Doch jetzt zur Musik.

Übrigens war das Programm sehr hübsch. Ravels unverbesserlich vollkommene Ma mère L’Oye und Strauss‘ Zarathustra sandwichen Korngolds sonniges Violinkonzert. Korngolds Konzert ist ein schönes Ding. Es ist zehn Mal besser als Bruchs Konzerte und interessanter als Mendelssohns Violinkonzert.

Leonidas Kavakos: schnelles, gering ausschwingendes Vibrato, goldenes, fast altertümliches, aber intensives Leuchten des Tons. Sein Ton bzw. der seiner Geige haben auch nach 25 Minuten Korngold noch Attraktivität. Bei einigen hohen Stellen, da wo es für Geiger um die Wurst und die Ehre geht, fehlt die Intensität. Erich Wolfgang Korngolds Violinkonzert, das Janine Jansen wahrscheinlich zu Hackfleisch und Anne-Sophie Mutter zu einer Habilitation über Filmmusik-Reminiszenzen in Kompositionen deutscher Exilkomponisten gemacht hätten, spielte Kavakos mit sinnlicher Noblesse, Konzentration und intelligenter Zartheit. Das ironisches Feuer sprühende Finale stellte auch Freunde geigerischer Extrem-Gymnastik zufrieden – neben mir saß so eine Dame, der das immens gefiel. Beethoven oder Bartók wird Kavakos anders anpacken müssen, aber der Korngold klang heute Abend hervorragend. Gustavo Dudamel lässt es fließen.

In der Pause gab’s ein Brezel und ein Bier, und zwar um mich innerlich und äußerlich zu rüsten für den massierten Einsatz von Blech bei Strauss (15 x Blech!!). Strauss, der wohl auch den Stapellauf der Queen Elizabeth erfolgreich vertont hätte (Mann, hätte man ihn damals nur gefragt…), gibt im Zarathustra sein Bestes. Was Strauss’sche Tondichtungen angeht, bietet Also sprach Zarathustra einige Vorteile. Zarathustra ist länger als Till Eulenspiegel, kürzer als Alpensinfonie, und das Violinsolo (sehr schön Daniel Stabrawa) zieht sich nicht so wie in Heldenleben.

Dann spielen die Musiker Strauss‘ Vollsaft- und Turbo-Musi. Die Berliner Philharmoniker lassen’s schimmern. Marie-Pierre Langlamet liefert an der Harfe pausenlos hübsche Plings, Stefan Dohr legt Hornspuren. Gabor Tarkövi bekommt viel Applaus. Dudamel nimmt dem Zarathustra die apodiktische Schärfe und macht einfach nur sehr gut komponierte Musik daraus. Dass Gustavo Dudamel eher der Typ für’s Malern mit der XXL-Rolle als für’s Malen nach Zahlen ist, ist bekannt: Wer es ziseliert liebt, geht zu Haitink. Der Schwung der ersten Geigen, die Üppigkeit der bruchlos gelungenen Aufschwünge überzeugen.

Zu den aufregendsten Stellen zählten die nach und nach einsetzenden Fugato-Stimmen der acht Kontrabässe (später kommen die Celli dazu) – eine Acht-Mann-Show, die es in sich hatte (Matthew McDonald, Esko Laine etc.)

Dudamel zischt und pfeift wie ein kochender Wasserkessel. Das Programm erinnerte stark an das vor zwei oder drei Jahren, als Dudamel Toteninsel, Strawinsky-Violinkonzert und Prokofjew Fünfte kombinierte. Ich war mir nach dem Konzert nicht ganz sicher, ob meine nette Begleitung wusste, dass sie jetzt den Rosenkavalier-Strauss gehört hatte und nicht den Walzer-Strauß („Spielen die nie ne Zugabe? Ich hätt jetzt gerne was. So’n Strauß- (Strauss-?????)Walzer oder so was…“) Macht aber nichts bei so einem feschen Konzert.

Paukist Wieland Welzel bekommt donnernden Applaus vom Podium.

Alfred Brendel hört zu. Ich kreuze ihn, als der Altmeister ein Örtchen aufsucht.

Kritik Dudamel Berliner Philharmoniker: zart, üppig, saftig – so wie man Wiener Schnitzel liebt