Jonas Kaufmann Don José
Jonas Kaufmann, Magdalena Kozena: Wie, isse jetzt tot oder was? // Foto: Forster / salzburgerfestspiele.at

Was tun im vorösterlich kalten, von Schneeschauern heimgesuchten Berlin?

In Ö1 die Übertragung aus Salzburg hören. Simon Rattle dirigiert, die Berliner Philharmoniker spielen bei den Osterfestspielen.

Jonas Kaufmann, Magdalena Kozena, Genia Kühlmayr und Kostas Smoriginas (u.a.) singen. Grundlage der Salzburger Aufführung ist die Bizets Erstfassung mit gesprochenen Dialogen.

Magdalena Kozena: Ihre Stärke ist die intensive Stimmfärbung, das Lodern, das unverwechselbare Timbre, ihr idiomatisches Französisch. Das Rollenporträt besitzt Herz, Lebendigkeit und Wärme. Kozena hat frauliche Würde in „C’est toi! C’est moi!“, faucht als aggressiver Teenager ein hörenswertes „Laissez-moi donc passer“, höhnt parfaitement in „Je souffre de-e-e partir, car ja-a-a-amais, ja-a-amais femme“. Ich wette, dieses „ja-a-amais“ behält man für Wochen im Kopf. Der Habanera („L’amour est un oiseau rebelle“) fehlt aber der Pepp und bekommt nur zögernden Applaus.

Kozenas Mezzosopran ist das Gegenteil einer eleganten Stimme. Dem steht das hörbare Vibrieren der Stimme entgegen, auch die Tendenz zum Überschlagen der Stimme. Irritierend ist hin und wieder das vibratolose, konzentrierte Ausstrahlen des Mezzos. Aber das ist ja keine Neuigkeit.

Genia Kühmeier
Genia Kühmeier // Foto: Johannes Ifkovits / geniakuehmeier.com

Jonas Kaufmann: Zuerst zu „La fleur que tu m’avais jetée“. Kaufmann phrasiert äußerst genau, fast grandios überexakt – man hört das in „fermant mes paupières“. Das hat schon fast hypnotischen Lyrismus, aber weniger aus dem Klang heraus, sondern aus der Textbehandlung heraus. Auch „sa douce odeur“ gab’s so noch nicht – ein fast Elisabeth-Schumann’scher-Interpretationswillen ist hier am Werk. Typisch Kaufmann ist das Öffnen der Stimme beim Quintsprung vom Des aufs As in „je m‘ enivrais“. Hier entscheidet der Geschmack, ich finde das nicht ganz koscher. In der dritten Strophe („Je me prenais“) schaltet Kaufmann den Eros-Turbo ein. Das schadet der Natürlichkeit des Ausdrucks. Beim B in „une chause à toi“ ist die Höhe trocken. Die Arie wurde übrigens mit sensibelstem Flow von den Philharmonikern begleitet.

Jonas Kaufmann wird gerne als der Don José „unserer Tage“ angesprochen. Kann schon sein… In der Todesszene („C’est toi! C’est moi!“) gibt es Licht und Schatten. Das schlanke Timbre gestattet Kaufmann eine kaum zu übertreffende Stimmschönheit. Den von Macho-Heroismus durchtränkten Ausdruck in „Mais moi…“ würde ich lieber nicht hören. Häufige Schluchzer.

Magdalena Kozena Carmen
Magdalena Kozena: ideale Bewerbung als Table Dancer // Foto: Forster / salzburgerfestspiele.at

Kostas Smoriginas: gutes Rollenporträt. Kehliges Timbre, bemühte Höhe seines leichten, aber schön geführten Basses, wenig fokussierter und stets verschleierter Stimmkern.

Genia Kühmeier: präsentierte sich in furchterregender Form. Kühnmeier setzte ihre exquisit aufblühende Stimme mit ebenso viel Können wie Umsicht ein („Je dis, que rien ne m’épouvante“). Das schmale Leuchten der Höhepunktlinien ist ein Ereignis. Großer Applaus.

Die Berliner Philharmoniker spielen perfekt, wie mans gewohnt ist. Simon Rattle setzt auf Lebendigkeit und Detail statt auf Pathospaste. Das Prélude zum ersten Akt ist flott, das Escamillo-Thema kommt angenehm leicht rüber. Das Einfach-Rhythmische klang an diesem Abend bisweilen harmlos („Vivat, vivat le Toréro“), das Verspielt-Rhythmische tiefsinnig-elegant („Nous avons en tête une affaire“). Einiges klingt hübsch leichtsinnig. Die Streicher zaubern, besonders himmlisch sind die Streicherschlenker nach dem Tod Carmens. Die Berliner Staatskapelle unter Barenboim war bei der Sternstunden-Carmen mit dem 2006er-Villazón und Domashenko schon a Stückerl heißblütiger.

Aletta Collins‘ Regie schaut, vom Bildmaterial her beurteilt, nach nichts Besonderem aus. Da schau an: Magdalena Kozena hat für diese Rolle extra Flamenco-Unterricht genommen.

Review/Kritik Carmen Salzburg: In Kozena und Kaufmann treffen zwei unterschiedliche Sängertypen aufeinander, die jede auf ihre Art exzellent sind. Genia Kühnmeier 1a. Die Berliner Philharmoniker exekutieren à la perfection, ihr Spiel glänzt jedoch nicht durch Atmosphäre.

Simon Rattle, Berliner Philharmoniker, Staatsopernchor Wien, Aletta Collins (Regie)
Carmen: Magdalena Kožená, Don José: Jonas Kaufmann, Escamillo: Kostas Smoriginas, Micaela: Genia Kühmeier, Zuniga: Christian Van Horn, Moralès: Andrè Schuen, Frasquita: Christina Landshamer, Mercedes: Rachel Frenkel, Dancairo: Simone Del Savio, Remendado: Jean-Paul Fouchécourt