Kritik/Bericht Musikfest Berlin 2008 Concertgebouworkest Amsterdam Mariss Jansons Messiaen Hymne au Saint Sacrement Poulenc Konzert für Orgel und Orchester Bruckner Sinfonie Nr. 3
Musikfest in Berlin? Skeptiker wenden ein, dass es in Berlin so viel Musik gibt, dass jeder Monat Musikfest ist. Doch Musik hin, Fest her, wer hin und wieder ins Konzert geht, wenn er gerade nichts besseres zu tun hat, dem kommt ein Musikfest, offiziell „musikfest berlin“, auch nicht ungelegen. Die unerwartete, aber typische Kühle des Berliner Spätsommers machen es sowieso zu einer guten Sache, die Abende in der Berliner Philharmonie zu verbringen. Wie jedes Festival, das auf sich hält, bezieht sich auch das Musikfest Berlin einen thematischen Mittelpunkt. 2008 wirft die Festivalleitung von den Berliner Festspielen in Person des mir sonst unbekannten Festivalleiters Winrich Hopp Anton Bruckner, Karl-Heinz Stockhausen und Olivier Messiaen in den Ring. Die Eröffnung des Musikfestes fällt 2008 wie 2007 Mariss Jansons und dem Concertgebouworkest Amsterdam zu.
Jede Stadt freut sich, wenn ein Orchester wie das Koninklijk Concertgebouworkest kommt. Das Orchester, von dem unlängst gemunkelt wurde, es wäre das beste Orchester der Welt, was besonders in Berlin mit Skepsis, wenn man ehrlich ist aber auch mit äußerst respektvollen Interesse aufgenommen wurde, spielte die 3. Sinfonie von Anton Bruckner. Man kann sagen, dass diese Sinfonie von Bruckner keine runde Sache war, sondern als Ganzes hölzern und unflexibel klang, ohne die Qualitäten des Orchesters unter den Tisch fallen zu lassen.
Als Zuhörer fragte man sich, ob den Musikern die Berliner Luft schlecht bekam oder ob sie nur die Currywurst am falschen Imbiss gegessen hatten. Während sich die einen Tick zu fantasielosen Holzbläser und die etwas unsicheren Hörner auf dem Podium abmühten, dachte man so nebenher: Also das können die Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle doch a bissl besser. Kurzum: die 3. Sinfonie von Bruckner war fast langweilig. Da war kein Pfeffer drin, und das Österreichische an sich, wie das auch immer im konkreten Fall aussehen mag, zeigte sich an diesem Konzertabend wenig. Der Applaus war mächtig, aber kurz. Das Concertgebouw Amsterdam spielte zuvor noch ein quicklebendiges, unkonventionelles Konzert für Orgel und Orchester von Francis Poulenc, in dem die feinen, sehr genauen Streicher zeigten, was sie können. Oh Mann, das war nun wirklich erstklassig. Diese Streicher, von einer Reaktionsschnelligkeit, einer Härte, einer dosierten Präsenz… Meine Ohren schnackelten vor Erstaunen. Ich war entzückt. Die Hymne au Saint Sacrement von Olivier Messiaen war ein frühes, entzückendes Werk des Franzosen und im besten Sinne französisch. Auf den Podiumsplätzen saß in der ersten Reihe eine Siebzigjährige mit einem Dekolleté, das selbst eine Montserrat Caballé in Erstaunen setzen würde. Nur die Weltklasse-Leistung der Violinen verhinderte eine zu große Ablenkung.
Das Konzert war nicht ausverkauft, was zeigt, dass die Berliner am liebsten zu Simon Rattle und dann erst mal nirgendwohin gehen, um sich dann, wenn sie denn Zeit haben und sonst nichts dazwischen kommt, ein Orchester, das nicht aus Berlin kommt, anzuhören.