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In Berlin fühlt man sich als Parteigänger der Philharmoniker zuweilen regelrecht umzingelt. Im Süden von den Wiener Philharmonikern (die mit den schlenkernden Geigen), im Westen vom Concertgebouworkest Amsterdam (die mit der stupenden Koordination). Richtig mulmig wird einem jedoch, wenn ein Dirigent aus dem Kernbereich der Wiener Philharmoniker, der k.-und-k.-Region, beginnt, ein k.-und-k.-Programm zu dirigieren. Da zwackt es die Berliner Seele und der Konzertgänger fühlt sich nicht nur auf dem falschen Donaudampfer, sondern glaubt obendrein, dass Eulen nach Spreeathen getragen werden. Der Ungar Ivan Fischer dirigiert Haydn, Bartók, Brahms und Kodaly.
Das erinnert einen dann an jene Momente, wenn der Ochs ausm Rosenkavalier auf der Bühne der Staatsoper wienert und wienert, und man denkt halt doch: Na, ob dös wohl hinhaut? Iván Fischer und sein Programm klangen auf jeden Fall, als käme es frisch aus der Gulaschkanone, und obendrauf sitzt ein Batzen Schlagobers. Im Voraus wurden Wetten abgeschlossen, ob die Philharmoniker mit der eisernen Regel brechen würden, im eignen Haus außer zu Silvester keine Zugaben zu geben, und etwa einen Donauwalzer zugeben würden. Taten Sie aber nicht.
Im Zentrum des Konzerts fand sich unvermutet das Menuett der Haydnsinfonie wieder. Schlawinerhaft schlug der Puls des Trios. Mein Gehirn wippte mit der Fußspitze. Nun ja, Rattles Ecksätze der 88er-Sinfonie hatten mehr Biss, damals im Februar 2007. Bartóks Lieder wurden von einem feschen, überwiegend aus blonden Sängerinnen bestehenden Mädchenchor aus Holland gesungen, den Konzertmeister Braunstein nach der herkömmlichen Dosis Applaus mit eindeutigen Handbewegungen zum Verlassen des Podiums aufforderte. Der Chor – Nordseeeküste verpflichtet – war etwas wässrig im Klang. Von Bartók kam die unvorstellbar sichere, sparsame Instrumentation. Die schönen Tänze aus Galanta wahrscheinlich zum ersten und letzten Mal innerhalb von zwanzig Jahren gehört. Es sei denn, Rattle oder Abbado machen sie.