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Berliner Philharmoniker – Simon Rattle: Bruckner Sinfonie Nr. 4, Schumann Sinfonie Nr. 3

Bericht Berliner Philharmoniker. In der ersten Hälfte gab es Robert Schumann Vierte Symphonie, die den gleichen Eindruck wie Beethoven V, 1 machte: abartig tumultuarisch, nicht ganz fassbar, von versessener Eile, mit einem kräftigen Schuss genialer Wirrheit. Simon Rattle live in Reinkultur. In der zweiten Konzerthälfte hörte man die 4. Symphonie Bruckners mit traumhaften, intensiven Stellen in den Binnensätzen, stellenweise grandios im Scherzo, das kaum besser vorzustellen war. Der langsame Satz schien unüberbietbar. Das Scherzo in der lockeren Setzung schon der Anfangstakte, der entzückenden Verdichtung der Horn-Signale, mit einem Nonlegato gespielt, mit einer grandiosen Wärme der melodischen Entwicklung entwickelt, dass es kaum je Besseres gab. Eine derart hinreißend gelockerte Fügung der Orchesterfaktur, eine derart exemplarische Ausgewogenheit von Klang und Struktur hört man selten. Prächtig zergliederte Klangeinheit.
In der kreisenden Intensität des melodischen Fortgangs, in der druchdringenden Phrasierung im zweiten Satz war man schlechthin auf unüberbietbarem Niveau. Wer hörte, wie Christian Thielemann Bruckners 8. versteinerte und Zubin Mehta Mahlers 7. in Aspik legte, nickte mit dem Kopf und brummte Zustimmendes. Im ersten und vierten Satz setzte Simon Rattle auf eine unpathetische Lesart. Kurzum, es waren rattle-typische Ecksätze zu hören. Sich unhierarchisch durchdringender Klang, etwas vorlaute ff, detailreiche Phrasierung, sehr produktive Solostellen, Verwischung der Trennlinien zwischen den thematischen und unthematischen Partien, eine Klangkontinuität, die über die Herrschaft des Taktes hinwegfließt – so in etwa war das. Eine nicht ganz so fein die orchestrale Textur durchleuchtende Interpretation wie von Abbado gewohnt, dafür eine in sozusagen protestantisch willensstarke Durcharbeitung.

Kritik Simon Rattle Bruckner, Schumann: hohe Höhen und tiefe Tiefen in einem Konzert