Ein wenig ergiebiges Konzert mit Emelyanychew beim DSO.

Energisch, ohne Streicher-Vibrato ertönt Beethovens Sinfonie Nr. 2. Dazu kommt in der Philharmonie eine schneidige Kammerorchester-Attitüde, man setzt auf ausgedünnte Orchestergruppen und pfeilschnelles Tempo. Viel Orchesterschläge, wenig organisches Fließen – und alles Taktstock-los. Will heißen: Ruppigkeit ohne Wenn und Aber. Dumm nur, die Orchesterschläge tönen unangenehm belehrend. Ihr kernhaft festes Krachen ist im Sekundentakt zu hören. Krächz-Schrappel-Wumms. Krächz-Schrappel-Wumms.

Dabei geht bei op. 36 so ziemlich jede Fähigkeit zu weiträumigem Spannungs-Fluktuieren verloren. Ist halt blöd, wenn die Musiker bereits in der Exposition pausenlos zum Thrill-Maximum gedroschen werden. Und wenige Minuten später die markanten Motivgestalten in Durchführung und Reprise in mechanistischem Dauer-Hecheln eingeebnet werden. Das ergibt null gestufte Zeitgestaltung, das ist verblüffend unsensibel gegen die individuelle thematische Prägung.

Das Larghetto zerlegt Maxim Emelyanychew in alle Einzelteile wie ein mit Antibiotikum vollgestopftes Lachsfilet: Die ff-Höhepunkte plärren, als kämen sie aus dem iPhone. Sie sind das am krassesten Veräußerlichte, was ich in den letzten Jahren gehört habe.

Das Tempo ist recht schnell fürs DSO, Scherzo und besonders Finale werden unsauber bespielt, ich meine nicht die rauen Naturhörner. Im Finale bilden Pauken sowie Fagotte, Klarinetten und direkt dahinter postierte Bässe einen aggressiv brummenden Wackelpudding. Im Finale wird nicht ganz Rattle- bzw. Scherchen-Tempo erreicht, oder?

Maxim Emelyanychew, Herkunft aus dem Currentzis-Stall, dirigiert mit Gummi-langen Armen und fingerhakelnd wie Gergiew, dabei stets energetisch erfüllt. Ich hab mehrmals die Assoziation: Da steht der Mime Lars Eidinger und tut wie ein Dirigent.

Heute kommt Beethoven im Bundle. Zuerst die dritte Leonorenouvertüre, theatralisch krass aufgeplustert. Dann soliert Fabian Müller im 3. Klavierkonzert. Das spielt der 35-Jährige Pianist auf hell, leicht scharf klingendem Flügel. Der Deutsche hängt seinen Beethoven etwas zu selbstbewusst raus. Bei Emelyanychews Tempo ergibt das fingerflinke Abläufe irgendwo zwischen Prasseln und Perlen. Müller trillert etwas zu leichthändig. Uchida beim RSB neulich mit op. 37 war eine andere Hausnummer.

Die Ouvertüre op. 46 von Mayer ist dröge. 1880 circa komponiert, klingt die „Faust“-Ouvertüre wie staubiges 1850. Der rhythmisch drängende Hauptgedanke ist in der Art von Volkmann oder Götz.

Hoppla, da sitzt das Orchester des lebhaften und engagierten Diskurses. Das Saisonheft sagt: Der Diskurs im DSO ist lebhaft und engagiert. Hey Leute, selbst wenn das krass cosy nach Claudia Roth klingt, ich freu mich für euch.

Heute wird nach wirklich jedem Satz laut gejubelt, als wär man beim Almklausi, bekannt aus Malle für alle. Dabei habe ich eigentlich nichts gegen Applaus nach einem Satz. Gestern wurde auf dieser Seite noch über F. Hanssen gefrotzelt, heute, nach Emelyanychew, spricht mir Ich will hier raus! voll aus der Seele.