Thielemann bei der Staatskapelle im Großen Saal Unter den Linden.
Bruckners Sechste zählte vor einiger Zeit noch zu den weniger gespielten Sinfonien.

Zuerst der Kopfsatz. So schlüssig gibt es den selten: Wie der austariert wird zwischen übergeordnetem Verlauf und dem Detailgeschehen in den verschiedenen Themenabschnitten. Höhepunkt sind da entweder der A-Dur-Durchbruch der Reprise oder die Coda. Heute ist es die Reprise in voller Ausinstrumentierung, mustergültig eingeleitet von der „falschen“ Es-Dur-Reprise. Christian Thielemann leitet und lässt die Themen klangintensiv ausspielen, was wirkungsvoll kontrastiert wird mit den langen Aus- und Abklangphasen, als lägen diese fast außerhalb der Stückprozessualität. Die Trompeten erhalten Erlaubnis zu schmettern. Bei den mit Volldampf genommenen Kulminationsstellen mit ihren Stimmschichtungen kämpfen die Musiker heroisch um perfekte Koordination.

Zentrum ist das Adagio. Dessen breites Aussingen wandelt sich in den Themen-Wiederaufnahmen zu heftigen Peaks, so kommt es erst mit Trauermarsch (3. Thema), mit dem Abstieg der Geigen über drei Oktaven (lang gezogen) und dem Singen der Oboe zur Lösung.

Das Scherzo bewährt sich im Austarieren von raschen Abläufen und Genre-Assoziationen, das Trio wahrt Behäbigkeit gerade im weichen Schmettern der Hörner. Auch das Finale verläuft rascher als von Thielemann erwartet. Beim zweiten Thema muss Kretzschmar zitiert werden, der ca. 1886 über Bruckner schreibt: „Bei keinem Zweiten ist das Österreichertum in seiner liebenswürdigsten Art so voll in die Musik übergegangen…“. Man sieht die Latschenkiefern vor sich. Die Schlüssigkeit der ersten drei Sätze wird im Finale nicht mehr ganz erreicht.

Henzes Sebastian im Traum nach dem gleichlautenden Gedicht von Trakl davor ist ein Brocken, zumal ohne Pause gespielt wird. Wäre das fabelhafte Stück, dessen Neo-Expressionismus zwischen Österreich-Faszinosum und verborgenem Katholizismus irrlichtert, eine Tondichtung, müsste es „Salzburg“ heißen.

Laut Finscher (Symphonie bei MGG Prisma) fehlt in der 6. der Choral. Aber der Mittelteil der 2. Themengruppe im Kopfsatz ist doch einer?

Ist schon schön mit dem Thielemann.