Die Frau ohne Schatten ist ja eine klassische Doppelpaar-Oper, was schon bei Così fan tutte, Zauberflöte und Lohengrin funktionierte. Und die Amme ist eine der gewitztesten Intrigantinnen überhaupt. Hieße die Oper allerdings Die Amme oder Die Kaiserin, wäre dies Kinderkriegen-Image nicht so ein Problem. Claus Guth zeigt die Frau in einer von Dämonen und Geistermenschen bevölkerten k.-u.-k.-Zeit (Wiener-Werkstätten-Kleider à la Emilie Flöge). Ein verknöchert leidender Patriarch (Keikobad) steht gegen zwei sich zur Willensfreiheit ertüchtigende Frauen. Das wird stringent erzählt. Mit sparsamen Mitteln. Nur im 2. Akt wird die Handlung unklar. Daran ist Hofmannsthal schuld. Aber das Libretto ist auch ein Wunder.

Schagers Tenor ist ein Geschütz aus Schall und Schwermetall, frisch und frank singt der Österreicher den Kaiser. Denn in Amme, wachst du ist er – wenn auch zu lautstark in der Spitze – ein Märchengatte aus Fleisch (Pathos) und Blut (Herzton), und bei Das sind die Nichtgebornenen singt ein Mensch, kein gekünstelter Schmalspurtenor.

Als Kaiserin ist Camilla Nylund halb Sissi, halb Auguste Viktoria mit einem Schuss Alma Mahler. Nylund zeigt ein gewissenhaftes Rollenporträt, hat die Spitzentöne, die Ausdauer und man wird nicht müde ihr genauestens zuzuhören. Vom Barak des Aleksander Puschniak (Слава Україні, Героям слава) kommt Schönheit der enormen und höhensicheren Stimme, von der Färberin der Elena Pankratowa kommen gespenstische Energie und vokaler Thrill.

Als schaltende und waltende Intrigantin singt Michaela Schuster, theaterprall spielend, die Amme, eine der irrsten Opernfiguren überhaupt, deren Verstoßung im dritten Akt wahrlich tragischer scheint als Ortruds Untergang nach dem dämonischen Geständnis am Ende des Lohengrin. Geisterbote: Arttu Kataja, Schwellenhüter: Evelin Novak. Johan Krogius stattet den Jüngling mit attraktivem lyrischem Tenorglanz voll Weichheit aus, in der Stimme von oben wechseln sich Anna Kissjudit und Natalia Skrycka ab. Man wird die Frau ohne Schatten woanders kaum besser hören.

Unter der Leitung von Konstantin Trinks klingt Strauss‘ dreiaktige Oper nicht schwer und schwierig, sondern leicht und locker. Und das ist bei Strauss immer schwer und schwierig. Die Fischlein hüpfen in der Pfanne, und die Kantilenen fließen, sicher in Gefühl und Architektur. Genau wie die Vor- und Zwischenspiele. Man kann das als beflügelte Objektivität bezeichnen. Dafür ignoriert Trinks bei der Staatskapelle sogar den Knopf, wo „bedeutungsschweres Tutti“ draufsteht. Das Dirigat gefällt mir besser als vor einiger Zeit das von Young.

Ab Januar läuft Frau ohne Schatten, dies Bollwerk gegen die Richard-Wagnersche Promiskuität, auch an der Deutschen Oper in einer Neuinterpretation von Tobias Kratzer.

Bilder: Vorstellung vom 30. November