Hier, heute kann man es hören.

Clara Schumanns 1835 vollendetes, zwanzigminütiges Klavierkonzert a-Moll op 7 besteht aus drei ineinander übergehenden Sätzen. Satz 1 interpretiert die Sonatenform überaus frei, Satz 3, polonaisenartig, folgt in etwa der Rondoform. Eine große Kadenz fehlt, stattdessen spielen im Mittelsatz nur Klavier und Solo-Cello. Bei den Konzerten der Berliner Philharmoniker ist Clara Schumanns Klavierkonzert zum ersten Mal zu hören.

Exponiert die maestoso-Orchestereinleitung im Allegro ihr a-Moll-Material (Fanfare & Marsch) noch forschkonventionell, so wirkt die Soloexposition schon als weitschweifende Variation dazu. Die Überraschung ist aber perfekt, als sich das zweite Thema als herzzerreißend lyrische Variante des Marschthemas entpuppt. Es folgt eine Spielepisode, irgendwann hat man das Gefühl von Durchführung, ein ben-marcato-Thema zieht vorüber, und was endlich, wenige Augenblicke vor Satzschluss, nach errungender Tonika tönt, explodiert als plötzliches E-Dur. Die Romanze (As-Dur), halb Lied ohne Worte, halb Worte ohne Melodie, dabei ganz ohne Orchester, wahrt eine messerscharfe Objektivität der Intimität, vielleicht ein Pfund, mit dem die 1830er – Chopin, Mendelssohn, Bellini – besonders gut wuchern konnten. Dass das Cello-Solo ohne Larmoyanz auskommt, liegt auch an den glasklaren Akkordumspielungen der Solistin, Triolen, Sextolen: Einbettungen des Intimen in hochartifizielle Kunst. Oh Biedermeier, hättest du nur immer diese Lust zum Wagnis gehabt.

Dann komm das temperamentvolle a-Moll-Finale, das bei allem Schwung und Drang immer diese Mendelssohn’sche Klarheit wahrt. Das kapriziöse zweite Thema ist wild von Quintolen, Sextolen und Septolen durchsetzt, dazu zieht einsam ein scherzando-Fagott seine Runden, und nur im Nachsatz wird etwas Chopin gestreift. Kurzum, ein Werk von inniger Offenherzigkeit und klarer Brillanz.

Ich höre im Radio.

Beatrice Ranas Rubato ist verhalten schwärmerisch, wobei die Verhaltenheit ihrerseits schwärmerisch ist. Rana kann Poesie, sie ist schnell und sie hat Stilbewusstsein. Yannick Nézet-Séguin dirigiert engagiert, aber nicht bombastisch, gespannt, aber nicht dramatisch.

Könnte in Berlin einer aus der ersten Riege (oder eine) mal eines der Klavierkonzerte von Dreyschock, Thalberg, Saint Saens (1.) oder Jaëll wagen?

Für Musik von Schostakowitsch interessiere ich mich seit den endlosen Wochen des russischen Kriegs in der Ukraine und Abertausenden Toten irgendwie halt nicht mehr.