Es ist Liederabend! Im mit Laaser Marmor ausgelegten Apollosaal Unter den Linden, wo 36 Säulen Gebälk und Galerie tragen, verlebte einst Adolph Menzel gewiss manche Opernpause skizzierend, und heute singt dort Katharina Kammerloher, begleitet von Eric Schneider, vor der Pause Mahler, nach der Pause Wolf.
Mahlers Wunderhorn-Liedern sind in einer Auswahl zu hören. Kurzweilig der Beginn: Neben der Kritiker-Verulkung Lob des hohen Verstandes steht das Kuckuck-Idyll Ablösung im Sommer, gefolgt von der Ritter-Humoreske Um schlimme Kinder artig zu machen, alle mit deklamatorischem Gusto vorgetragen. Die Kürze von Scheiden und Meiden, das mit einem irren Klaviertriller von Eric Schneider beginnt, nutzt Kammerloher zu emotionaler Akzentuierung, während der Volksliedton (keck und innig) in Rheinlegendchen überraschend behutsam aufklingt.
Wenn im schaurigen Wo die schönen Trompeten blasen ein Gefallener des Nachts an die Tür seiner Geliebte klopft, singt die Mezzosopranistin das mit glühend unterdrückter Intensität. Übrigens, hören Sie, wie der lange grüne Haid-Jodler in Wer hat dies Liedlein erdacht? runder, erfüllter, besser klingt als in den Aufnahmen der allermeisten Berühmtheiten?

Es ist doch hörenswert, wenn im Liedrecital an der Staatsoper einer wie Eric Schneider die knappen Zwischenspiele, die flirrenden Tonmalereien und eiligen Epiloge spielt – mit poetisch akkurater Verve.
In Hugo Wolfs Mörike-Lieder sind es die Gesänge der Nacht, die in den Bann ziehen: Ein Stündlein wohl vor Tag, das epigrammatisch kurze An den Schlaf, In der Frühe. Um Mitternacht singt Kammerloher ausdrucksvoll, verhalten, schnörkellos kontrolliert. Im Frühling ist kein Lied des Aufbruchs, sondern eines der Resignation, durch träumerisches Daseinsbehagen gemildert. Die letzten Worte zerfließen ins Unhörbare: Alte unnennbare Tage.
Mörike-Lieder von religiöser oder elfenromantischer Thematik bleiben heute außen vor. Stattdessen mündet in Auf einer Wanderung eine amourös überstrichelte Spitzweg-Idylle in eine emphatische Anrufung der Muse. Den kecken Gärtner singt die Mezzosopranistin nicht als flatterhafte Miniatur, sondern als Lied verstohlener Leidenschaft.
Die Zugaben: Wolfs Er ist’s, gleichfalls aus den Mörike-Liedern, Mahlers Frühlingsmorgen, Wolfs Mein Liebster ist so klein aus dem Italienischen Liederbuch.
In der ersten Reihe sitzt eine Sängerin, die zwei Tage zuvor in der Arabella-Premiere an der Bismarckstraße sang.