Die Rückkehr an das philharmonische Pult ist für Simon Rattle inzwischen alljährliche Gewohnheit – immer im Frühling. Genau wie bei Abbado, als der dann der Ex war. Vertraut unvertraut ist mal wieder Rattles Programm. Neben dem spanischen Schönbergschüler Gerhard erklingt hierzulande ziemlich unbekannter Dvořák: A-Dur-Suite und Scherzo cappricioso.
Wenn die Berliner Philharmoniker mit Roberto Gerhards Tänzen aus Don Quixote beginnen, klingt das so unspektakulär wie gut gelaunt. Ist das noch karge Folklore oder schon spitzfindige Moderne? Das Orchester waltet mit knappster Klangraffinesse, die Aufführung ist exzellent. Die Sinfonie Nr. 3 desselben Komponisten (Untertitel Collages, UA 1961) hat es aber in sich. Das ist astreine Moderne, die einen starken Eindruck macht. Die Sinfonie fließt luftig und frei. Und wirkt doch in jedem Takt spanisch, Gerhard leuchtet sein Material mit scharfem Licht aus. Und plötzlich tönen die sparsamen Aktionen von (dann gerne mal massivem) Tutti und Instrumentalsolisten betörend sinnlich. Dazu passt das Zuspiel vom „Band“ (das digital eingespielt werden dürfte), wo sich eine zweite, diskret kontrapunktisch agierende Stimmfront auftut.
Als Dvořák-Deuter ist Rattle – vermutlich animiert von Ehefrau Kožená – alles andere als ein Novize. Hörbar wird das in Dvořáks fünfsätziger, biegsamer und lebensfroher Suite für Orchester A-Dur. Das erste Allegro hat umwerfend frischen Puls, die Streicherattacke ist weich gerundet. Rattle holt die Musik direkt aus dem Klang. Die Holzbläser tönen weich und dicht, sprich symphonischer als bei Petrenko. Und die Berliner klingen dunkler als beim neuen Chef.
Ein Meisterwerk ist Dvořáks blitzendes Scherzo capriccioso, das Rattle mit Recht an das Ende setzt und das Ticciati im Dezember mit dem DSO auf dem Programm hatte. Strahlend charmant darf sich das Thema präsentieren, ein Traum – a Draum, wie man in Tirol sagt – der Walzer. Und die Philharmoniker eilen imponierend lustvoll durch die Ballungszonen der Durchführungsfelder. Vollumfänglich wundervoll.
Angenehm am Mikro bei der Übertragung auf Deutschlandfunk: Elisabeth Hahn. Aufschlussreich in der Pause: der Musikwissenschaftler (Name nicht behalten) im Gespräch.
Kaufmann über die leeren Konzertsäle
https://www.diapasonmag.fr/a-la-une/jonas-kaufmann-26823.html
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Also bevor sich Kaufmann über leere Säle aufregt, sollte er mal lieber nach Berlin kommen, um eine Tosca im 0815-Bühnenbild zu singen. Die ausverkaufte Vorstellung wäre ihm sicher.
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