Und wieder eine Lücke im Friedrich-Vermächtnis an der Bismarckstraße. Für Götz Friedrichs Maskenball fällt nach fast dreißig Jahren der letzte Vorhang. Man muss es bedauern. Es bleibt abzuwarten, ob eine Neuinszenierung dereinst das Maskenthema ähnlich klarsichtig durchspielen und für den zweiten Akt ein vergleichbar schlagendes Bühnenbild finden wird. Friedrich machte den Gustavo – ohne Zweifel einer der unsympathischeren Tenorhelden Verdis – zu einem Getriebenen, dessen herrscherlich eitler, monomaner Spieltrieb ins sichere Verderben führt. Das war mit leichter und immer sicherer Regie-Hand inszeniert. Repertoireverschleiß erwischt freilich den Hofball im dritten Akt. Der wird zum zweifelhaften Schlurfvergnügen.
Covid-Chaos! Im Vorfeld der zwei letzten Aufführung dieses doppelbödigen melodrammas gehen der Deutschen Oper im 12-Stunden-Takt sämtliche primarii verloren.

Die Amelia singt nun Veronika Dzhioeva mit dramatischer Verve, Sopran-Stamina und jenem Aplomb, der der Amelia vermutlich besser ansteht als edle Harteros-Blässe. Was Dzhiova zeigt, sind Verletzlichkeit und Erschrecken vor den eigenen Gefühlen. Ich höre, was ich nicht immer höre, dass diese außergewöhnliche Verdi-Heroine drei Frauen unter einen Rollen-Hut bringt: Ehefrau, Mutter und verzweifelt gegen ihre Neigung kämpfende Liebende. Dzhioevas Arie im dritten Akt ist sehr gut. Die Russin hat Gefühl und man hört es. Die höchsten Töne fehlen ihr etwas. Ihr tiefes Register macht Spaß.
Ich habe schon lange keinen derart indisponierten Tenor wie Yosep Kang erlebt. Es fängt gleich bei La rivedrà an. Für Kang war der Abend sicherlich einer der unangenehmeren seiner Karriere. Aber das Publikum litt auch. Man kann sich die Verzweifelung des Besetzungsbüros an einem Karfreitag vorstellen, dass einen Einspringer in solch einem Zustand auf die Bühne lässt und sich dagegen entscheidet, eine Indisposition anzukündigen. Der kraftvolle, lyrische Bartion von Dario Solari (als Anckarström) tönt in Eri tu viel besser als in Alla vita (das klingt wie die glanzlos erfüllte Pflichtaufgabe der Kategorie „der besorgte Staatsminister“ in der Masterclass „Operntypen des 19. Jahrhunderts“).

Heidi Stober (schicke Bikerhose) ist ein aufgedrehter Page mit Herz und Temperament. Eine vorbildliche Gesangsleistung. Stobers komödiantischer Elan reicht für eindrucksvolle Luftsprünge bei Saper vorreste. Die Ulrika von Olesya Petrova – die Dame ist in bester Erinnerung aus der Netrebko-Lecouvreur vor drei Jahren – bringt Kraft und autoritative Tiefe der auf den Grund der (Anschlags-)Dinge sehenden Satansbeschwörerin. Akustisch und optisch ein Vergnügen sind Horn und Ribbing (Patrick Guetti, Tyler Zimmerman), die irgendwie linkisch agieren, aber mit schwarzen Brillen und schicken Anzügen exorbitant coole Verschwörer abgeben. Der puderperückte Richter von Jörg Schörner muss unter den Scherzen von Oscar leiden, während Samueol Park als marinario übereifrig agiert. Fehlt nocht die Minirolle im 1. Akt für Patrick Cook als Amelias Diener.
Yi-Chen Lin dirigiert ein zähes Preludio, Zusammenhalten ist heute schwierig. Der Verdi klingt mal leichtgewichtig, mal fad, mal knallig. Aber Lin ist mit Herz dabei. Die Instrumentalsolisten lohnen das Hinhören: Flöte und Englischhorn bei der ersten Arie der Amelia, Cello bei der zweiten.
Besuchte Vorstellung: Karfreitag.
früher war alles schöner, sagt mein Sohn
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Als ich ca. 18 Jahre alt war, sah ich zum ersten Mal Piero Cappuccilli an der Oper Bonn, in jener Rolle, als Einspringer, für die Zweitbesetzung, die an jenem Abend nicht singen konnte. Cappuccilli wollte damals, so hieß es, nicht mehr als 60 Vorstellungen im Jahr singen, und wenn es ging, dann besser nur an einem Ort, als Stagione.
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Ich konnte nicht glauben, daß irgendjemand so überzeugt von allem singen konnte. Heute weiß ich : es geht.
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Ich hätte mal gerne Anna Prohaska als paggio oder Oscare tu sei gesehen.
Aber das hab ich verpasst.
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Wer kann schon die Riccardo-Arie richtig gut singen ? Sie ist voller Depression, weil er nichts zustandebringt, seine Frau deshalb nach London schickt. Was soll er denn machen ? Schön singen ? Die scheußlichste aller Verdi-Tenorarien.
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hier ist eine bessere Variante :
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Der letzte Tenor, den ich im Maskenball an der DOB sah, schmetterte die Arie tutto fortsissimo in die zweite Reihe und darüber hinaus. Jorge de Leon hieß er. Ich konnte mich grade noch zurückhalten, am Ende der Arie „piano, piano“ zu rufen. Er hätte das sehr wohl verstanden, weil es aus der zweiten Reihe gekommen wäre. Aber mein Anstand hat mir das verboten. So ganz schlimm war’s dann doch nicht.
Und was erreicht man mit solchen Aktionen ? Im Faust habe ich mal nach der lauten Faust-Arie einen ganz kurzen, stechenden Buh-Ruf gesetzt, der natürlich Eindruck bei Teodor Ilincai hinterließ, aber nur dazu führte, daß er den Rest der Oper äußerst diszipliniert und korrekt hinter sich brachte.
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Ulrica war übrigens die beste, die im Restaurant der DOB saß, im Bademantel, eine Rumänin, sie singt es heute weltweit : Judith Kutasi. Vielleicht die Rachvelishvili könnte das noch, hätte aber nicht die Tiefe.
ich würde auch nicht an der Deutschen Oper bleiben, wenn ich frei wäre und was könnte.
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und das Eri tu in diesen kleinen Guckkasten auf der Bühne zu sperren, hat eigentlich niemandem wirklich gut getan. Ich weiß nicht mehr, ob Paolo Gavanelli auch darin einsperrt wurde, aber zumindest war er der letzte bemerkenswerte Bariton im Ballo, den ich an der DOB gesehen habe, War aber schon lange her. Danach hat sich kein Bariton von Format mehr in den Kasten hergetraut.
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Ab dem 21. April ist die Maskenpflicht in der Komischen Oper aufgehoben ! Zwei Jahre sind’s her… und dann gleich Falstaff.
giu le maschere ed i veli. Apoteosi !
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An der Staatsoper auch während der Vorstellung.
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Die Premiere war schon nicht ausverkauft, weil, wie irgendeine Kritik es schrieb, die Oper nicht so beliebt ist.
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Der Günter Pappendell, der den Ford singt, wurde in der MoPo interviewt, und er sagte doch tatsächlich, daß die Arie rassistisch und sexistisch sei ?
che laida sorte
ein Verrückter, und ein angepasster Berliner !
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Götz Friedrich schrieb seinen Baritonen in der Arie noch vor, zu singen :
E sogno ? E realta !
Und wer das nicht sang, da war die Spielassistentin vor.
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„Zehn kleine Negerlein“ von Agatha Christie ist der meistverkaufte Krimi weltweit.
Die voebb hat das alles gecancelt. Kommt nicht mehr vor, und wenn, dann nur am Rande. Aus der Stadt, die zwei Weltkriege geführt hat.
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Dimitri hat Jonas beigebracht, was es heißt, ein großer Sänger zu sein.
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Hier ist noch eine Version des Eri tu, die mir ganz zufällig über den Weg lief. Rolando Panerai, ein großer Bariton, der, wie mir scheint, nicht nach Bravo-Stürmen gierte, sondern einfach sang, wie er’s konnte und es gut war :
Da sieht man, welche Depression eigentlich in dieser Oper beheimatet ist, aus der auch er, Renato, nicht herauskommt. Als einzige Lösung bleibt für Verdi der Befreiungschor mit einem weltumfassenden Gelächter, das erst im Falstaff die krönende Fortsetzung finden wird.
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das war nur eine bildungsbürgerliche Anmerkung für ein musikwissenschaftliches Journal
Denn der „hahaha“-Chor kommt vor der Arie. Trotzdem schon fast allumfassend.
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