Sonntagabend in der Staatsoper, es läuft die vierte Vorstellung von Quartett. Wie immer über den Seiteneingang Ost rein. Im Großen Saal sitzt viel Noch-Jugend und noch mehr Fast-Noch-Jugend. Luca Francesconis Quartett funktioniert auch beim zweiten Besuch. Eineinhalb Stunden feinstes Mittelschicht-Gezerfe (gute Regie: Barbara Wysocka). Midlife-Crisis, Zukunftsangst, alles sehr gebildet und sehr schnippisch und (nur etwas) verzweifelt. Die Bühne: eine marode Bunkerkugel.

Mojca Erdmann liefert prickelnde Gesangsware. So klingt Singen auf dem Drahtseil. Sie verkörpert die Marquise, aber eine Messerspitze ihrer Vokalkunst ist immer auch Mojca Erdmann. Gut. Thomas Oliemans gibt dem Valmont mehr als einen Spritzer Herzblut. Beide zeigen die Menschen hinter den Bestien. Francesconis Musik? Kann funkeln, vermeidet jene moderne Altklugheit, die schnell läppisch klingt, weiß auch um Schönheit. Barenboim und Staatskapelle arbeiten in dieselbe Richtung.

Die Maske wird non-stop während der Vorstellung getragen. Zwei Plätze Abstand, wenigstens wo ich sitze. Einfach dufte, sonntagabends noch schnell in die Oper für intensive, kurze eineinhalb Stunden. Während der Vorstellung frage ich mich plötzlich, ob es sein kann, dass ich ganz real Erdmanns Lulu noch im Ohr habe, wenn sie ihren Sopran auf Umlaufbahnen schickt, die eigentlich nur Satelliten vorbehalten sind.

Am stärksten gerät die erste halbe Stunde, am schwächsten die Verführungsszene der Volange, wo auch der dramaturgische Bogen hängt. Vom Parkett aus finde ich die elektronischen Einspielungen OK. Im Rang vor zwei Wochen klangen sie disparat.

Wie wäre es, wenn man die Inszenierungen zeitgenössischer Oper des vergangenen 10, 15 Jahre in einem Festival bündelte? Zwei Wochen, Rihm, Sciarrino, Henze (auf dessen Phaedra hier schon öfters hingewiesen wurde), Hosokawa (gerne wieder mit Hannigan), Francesconi, Furrer etc.