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Die zwei Mittwochs-Konzerte mit Musik von Rebecca Saunders im Rahmen des Musikfests 2020 dürften schon zu den Höhepunkten der gerade erst angelaufenen Saison gehören. In der Philharmonie präsentiert das vorzügliche Ensemble Musikfabrik sechs Werke, überspannt in zwei Werkblöcken – Start jeweils 17 und 21 Uhr – 22 Schaffensjahre, macht klar, dass die aus London gebürtige Rihm-Schülerin Musik schreibt, die berührt und überwältigt, Musik, die durchaus in der Lage ist, avantgardistischen Glamour zu verbreiten, ohne je elitäre Insider-Kunst sein zu wollen.
Yeah: Die Komponistin ist anwesend.
Das etwa einstündige Nachmittagskonzert bringt mit Either or für 2 Trompeten sogar eine Uraufführung. Das Stück schwingt in eine großräumig angeordnete Folge eng verzahnter einzelner Abschnitte aus. Ausgangspunkt sind jeweils konzentrierte, in metallisches Klanglicht getauchte Töne, die um ein Vielfaches klarer scheinen, als das Gehör zu fassen vermag. Stets steht der sich pausenlos in wechselnder Intensität neu formierende Klang im Zentrum. Je länger Either or dauert, desto natürlicher fließt das Stück.
Eines der bekanntesten Werke von Saunders ist das dicht und assoziativ komponierte Kontrabasskonzert mit Titel Fury II (2009) für 5 Ensemblespieler und einen Solisten (Florentin Ginot). Die eruptiven, scharf ausgehörten Figuren begegnen schon in dem frühen Werk dichroic seventeen (1998), dem letzten Stück im Spätnachmittagskonzert. Es beschäftigt sich obsessiv mit anschwellenden Tönen und endet überraschend versöhnlich mit Melodie-Bruchstücken des Klaviers.
Als sachdienlicher Leiter führt der Zeitgenössische-Musik-Experte Peter Rundel das Kölner Ensemble Musikfabrik durch die Partituren. Heraus kommen sorgfältig transparente und dicht artikulierte Werk-Interpretationen. Sehr hörenswert.
Auch der rund eineinhalbstündige Spättermin mischt Früheres mit Späterem. Quartet (1998) entstand im gleichen Jahr wie dichroic seventeen und enthält schon die ganze Saunders – Töne, die sich aus der Stille schälen, Mikrointervalle, eruptive Momente -, ohne freilich jene Komplexität in der Einfachheit zu haben, die die späteren Stücke auszeichnet. Ungewöhnlich auch hier die beinahe irreal wirkenden Melodiepartikel des Flügels. Die deutsche Erstaufführung stirrings still III (2019) schreibt die Reihe der faszinierenden stirrings-Still-Werke fort. Als Raum-Klang-Erkundung mit weit im Philharmonie-Rund verteilten Spielern zwingt die Musik in ihrem rätselhaft-verschlungenen Formverlauf zu genauestem Zuhören. Bestechend auch ihre Klarheit, wobei die meditative Grundhaltung nur selten verlassen wird.
Fast noch fesselnder ist Skin (2016) für Sopran und 13 Instrumente, das ähnlich frei fließend konstruiert ist wie stirrings still III, aber noch souveräner über Form und Gehalt verfügt. Juliet Fraser leiht der außergewöhnlich hoch liegenden Partie (Text: Joyce, Saunders, u.a. nach Beckett) ihre Vokalkunst. Mehrfach ist das dreigestrichene Es gefordert. Aus dem engen Agieren von Stimme und Instrumenten ergeben sich frappierende Wirkungen. Typisch sind Anweisungen wie Soprano mixes carefully with winds.
Täuscht der Eindruck? Die Philharmonie hat das ausgeklügeltste Sicherheitssystem der westlichen Hemisphäre. Gestaffelte Einlasszeit, Farbleitsystem, jeder Besucher wird persönlich zum Platz geleitet, Masken erst abnehmen, wenn eine (uncharmant laute) Ansage die Hygienvorschriften erläutert. Seltsam überfreundliches Saal- und Einlasspersonal, vier Mal wird ein schönes Konzert gewünscht. So spartanisch das Drumherum ist – ausgestorbene Foyers, keine Pause, null Gastro -, so sinnvoll ist das Angebot, Konzerte in der Digital Concert Hall live verfolgen zu können oder ausgewählte Konzerte als Aufzeichnungen online verfügbar zu machen.
Drei Konzerte mit Saunders-Werken kommen noch: heute das RSB unter Jurowski, am Montag der Filmabend mit Live-Musik im Zoo Palast, am 22. 9. die Karajan-Akademie unter der Leitung von Enno Poppe.
Mir gefällt das Musikfest 2020. Keine Gastorchester die im Jumbo einfliegen und danach zur nächsten Musikmetropole jetten und die ihre öden Tournee- Programme mitrbringen die sich nicht um das Konzept vom Musikfest scheren . Beethoven, Saunders, dazu 1 2 Nebenstränge. Perfekt. Wird das erste Musikfest sein wo ich alle Orchesterkonzerte höre .
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Muss aber auch sagen, dass die Corona-leere Philharmonie schon recht sinister ist. Ebenso die leere Halle unten. Ich hoffe wirklich, dass ab Oktober mehr Publikum möglich ist, zumal das Personal Leute, die die Maske zu früh abnehmen, auch wirklich anspricht, anders als in Flugzeug, ICE oder Edeka. Keine Pause versteh ich auch. Wenn die Konzertstätten so schütter besetzt bleiben, werd ich nicht so oft unterwegs sein. Aber wie willste Tannhäuser ohne Pause machen? Geht auch nicht. Vielleicht hat die DO das (Opern)Ei des Kolumbus gefunden mit ihren Best-of-Format. Wobei 2 Stunden ohne Pause halten die Leute ja schon durch. Elektra, Götterdämmerung I, Traviata ohne Pause, gibts ja alles schon.
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Pausen sind nicht das Problem siehe Walküre DO wo 2 Pausen angekündigt sind https://deutscheoperberlin.de/de_DE/calendar/die-walkuere.16430103
Is auch nich einfach für die Opernhäuser in der DO Verdi Gala, Gioconda Best of und Aida dito sind nicht ausverkauft . In Falstaff konzertant geh ich auf jeden Fall rein. Tosca konzertant wär jetzt nicht so mein Ding
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Danke für den genauen Bericht. Ich wollte auch hingehen, aber war in einem gesundheitlichen Zustand, dass ich vor Ort hörend weniger geschnallt hätte als durch das Nachlesen bei Ihnen. Außerdem sollte man ja in diesen Zeiten schniefend noch dringender zuhause bleiben als in anderen Zeiten.
Saunders-Werke werden ja einigermaßen regelmäßig gespielt (man sieht sie auch sehr häufig bei Konzerten), aber schön, wenn es mal so zusammengestellt wird, dass man einen gewissen Überblick über Entwicklungen dieser Komponistin bekommt. Ich hatte sie früher unterschätzt, glaube ich. Manches war mir zu frickelig und um zu viele Ecken konstruiert.
Ich werde mich nächste Woche wieder in die Philharmonie wagen. Atmosphärisch graust es mir doch ein bisschen …
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Ist das ernst gemeint? Da muss ich rein!!!!
https://www.konzerthaus.de/de/programm/konzerthausorchester-berlin-pablo-heras-casado/6130
Egmont, Dvorak Cellokonzert , Tschaikowsky 4. , Elgar Cellokonzert, Schumann 2.
Fehlt nur noch eine Mahlersinfonie als Abrundung :-)
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schlecht
sagt mein Sohn
toll !! super !!
gefühlsausbrüche
gabriela benackova
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