Ich will das erste Mal seit langem wieder Digital Concert Hall hören, weil ich schon 2 Tristans hinter mir habe und gestern Buchbinder in der Komischen Oper dran war und am Montag Hamlet in der Deutschen Oper ansteht. Ich will es einfach etwas bequemer haben. Also Wochenticket gebucht, 10 Euro, prima. Um 18:56 eingeloggt. Und dann: geht nicht. Rumwurschteln. Schweißausbruch. Mac in die Ecke geschmissen, Windows-Rechner angeworfen. Geht auch nicht. Ausloggen, einloggen. 19 Uhr 10. Erster Satz schon fast vorbei. Von WLAN auf LAN umsteigen. Rechner Neustart. Immer das gleiche Bild:
Um 19:14 steht die Verbindung. Trifonow ist mitten im zweiten Satz. Das Konzert macht jetzt so viel Spaß wie Harzer Roller.
Das Klavierkonzert von Skrijabin.
Technisch scheinen Daniil Trifonow keine Grenzen gesetzt. „Der eherne und exakte Klavierton eines hochgeistigen Menschen“. Das sagte Walther Niemann 1919 über Ferruccio Busoni. Man kann es heute über den schrecklich treffsicheren Treffonow sagen.
Skrijabins Konzert ist Spätzeitkunst eines Frühzeitgenies, und irgendwie passt das auch für Trifonow. Ich höre verblüffend klares und schönes Spiel, süffig garniert mit blendend hellen Diskanttönen von unglaublicher Transparenz und Mühelosigkeit. Trifonow badet in der Musik. Die flügelleichten Anschläge zergehen wie Butter in der Pfanne. Dazu macht Trifonow ein Gesicht wie Jesus am Kreuz.
Irgendwie vereint Trifonow einen klirrend modernen Klang mit der guten alten russischen Klavierschule. Das ist das Faszinierende.
Die ekstatisch mäandernden Abläufe im dritten Satz sind Tasten-Seiltänzereien voll unerhörter Energie und Farbe. Das Können dieses Schlakses ist fast zu viel für das menschliche Ohr. Stehen hier zu viel Geschmack, zu viel Können der musikalischen Wirkung im Weg? Nein. Von Können gibt es nie zuviel.
Doch begreift man, was Trifonow zum Problem werden kann. Nicht jedes Stück lässt sich mit hochgesteigerter Perfektion, mit furchterregender Sensitivität einnehmen. Aber heute Abend passt es. Spielen die Berliner Philharmoniker nicht zu brillant? Vielleicht. Vielleicht kann man das aber auch sehr gut so spielen.
Das Skrijabin-Konzert ist ein weiteres relativ unbekanntes russisches Klavierkonzert, das Repertoirewürden verdient. Das nächste Mal könnte Herr Trifonow gerne das Klavierkonzert von Glasunow oder Rimsky-Korsakow oder am liebsten eines von Rubinstein spielen.
Die Sinfonie Nr. 11 von Schostakowitsch.
Die unbegrenzten epischen Weiten, die dieses Werk mit den Siebenmeilenstiefeln des symphonischen Musiktheaters durchmisst, faszinieren. Die langsamen Sätze, Nr. 1 und 3, sind die stärkeren. Der 1. Satz, Palastplatz (Дворцовая площадь) vermittelt den Eindruck, als würde eine alte Schwarzweiß-Fotografie mit unheimlicher Gewalt lebendig.
Spätestens im 2. Satz, wenn die Adlerschwingen der Geschichte um die Ohren der Zuhörer streifen, melden sich auch Zweifel. Aber nur, bis die tröstenden Bratschen das tiefe Tal des 3. Satzes wie Moses das Rote Meer durchschreiten (Ewiges Gedenken, Вечная память). Es ist ein Vergnügen zu hören, wie genau die Streicher Nelsons folgen. Das ist Sprache, und es ist Musik. Immer wenn ich denke, der 4. Satz falle ab, überlegt er es sich anders. Vielleicht zählt diese Sinfonie in 50 Jahren zu den zwei, drei größten von Schostakowitsch.
Fesch, die Haare von Posaunist Schulz. Wenn Nelsons so weiter macht, ist er bald eine Tonne. Sieht so die Trauerarbeit wegen der Trennung von Frau Opolais aus?
Wäre doch schön geworden mit ihm, als Chef.
Weitere Berichte und Kritiken: Doch das Wichtigste vermisst man (Hundert11), Selbstreferenzielles Virtuosentum (Sascha Krieger).
Gibts dann Geld zurück, wenn man das Konzert nur teilweise verfolgen konnte? Stellt sich natürlich die Frage, wo der Fehler lag….Jedenfalls ärgerlich. Beim DLR Kultur gabs neulich bei der Live-Übertragung vom DSO aus der Philharmonie auch erstmal 7 Minuten Schweigen – schade um den hörenswerten Roussel…
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Sie so die Trauerarbeit wegen der Trennung von Frau Opolais aus?
Böser Mensch :-))
Die sind doch aber, wenn ich mich nicht irre, schon wieder zusammen aufgetreten…
Na, dann bin ich auf den Hamlet gespannt, gehe erst am Samstag,
aber auch wieder nicht so dolle voll. Das trotz Damrau… was ist nur mit dem Publikum los, bekommen was geboten, was sie nicht ständig sehen und hören können, und dann…. siehe auch den Otello, aber ständig rumjammern…..
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!!!!!Breaking News: Andy Scheuer leitet neuerdings Technik-Abteilung der Digital Concert Hall !!!!!
Aber ehrlich Ich war nicht so begeistert, weder von Trifonow noch von Schostakowitsch kann den Eindruck so nicht teilen, bin da eher bei Selge.
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Heute Abend 19 Uhr
https://www.arte.tv/de/videos/090168-000-A/nabucco-von-giuseppe-verdi/
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Hoffe, niemand ist diesem Hinweis gefolgt….
eine der schwächsten Nabucco Aufführungen, die ich je sah. Hätte nie gedacht, das ich unserer Aufführung mal hinterhertrauere….
Ein weiterer Tiefpunkt war der verehrte Volle, völlig ungeignet. Zeppenfeld war der einzige Lichtpunkt, Smirnova macht auf mich den gleichen Eindruck, wie kürzlich als Turandot, leider auch nicht vom Hocker reissend
Warum die Züricher Luisi lieben, ist mir auch nicht klar
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Tonne Nelsons und Jesus Trifonow, beides auch gedacht von Block A aus, habs mir dann verkniffen, freu mich, dass Sie nicht so verklemmt sind wie ich. Genau genommen musste ich bei Trifonows Mienenspiel an den Passionsfilm von Mel Gibson denken.
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Woran Sie wieder in einem Konzert so denken :-)))
Wie wars denn am Wannsee, hatte das leider aus zeitlichen Gründen nicht wahrnehmen können
Stellen sich vor, die Besucher bei dieser Lesung hätten auch merkwürdige Gedanken gehabt :-)))))))
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Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire Uwe! Am Wannsee wars schön, der Regen verzog sich gerade rechtzeitig, und die Lesung konnte auf der Terrasse stattfinden. Die Gedanken der Besucher konnte ich natürlich nicht lesen!
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Natürlich gebe ich die,
aber die Anrede gefiel mir sehr gut .-)))
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Ich hab es jetzt erst gelesen
https://www.tagesspiegel.de/kultur/neuer-konzertsaal-in-andermatt-alpensinfonie-a-la-suisse/24474308.html
Die lassen sich für ein Privatkonzert in der Schweiz einkaufen?
Von einem milliardenschweren Hotelmogul, der noch viel mehr Tourismus in die Alpen holen will? Für die Superreichen und Superschönen dieser Erde?
Und der TSP schwadroniert dazu vollendet lyrisch vom „geografischen Schnittpunkt zwischen der Nord-Süd-Magistrale über den Gotthard und der Ost-West-Verbindung über den Furkapass“ Na dann Prost.
Ich weiß nicht, das BPO wird mir immer unsympathischer.
Vielleicht können Sie auch einmal überlegen, ihre so genannte einmalige Kooperation mit der Deutschen Bank aufzulösen. Meiner bescheidenen und ganz privaten Meinung nach ist das ein ZUTIEFST UNSYMPATHISCHES Unternehmen. Aber die Philharmoniker haben wahrscheinlich noch nie von Cum Ex, Libor, systematischer Steuervermeidung, Geldwäsche gehört.
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Leute, vielen Dank für die Kommentare. Ich hab nur das nette Wörtchen „kriminell“ im Kommentar von Joachim ersetzt (SPERRSATZ), Anwälte der Deutschen Bank etc etc, Verleumdungsklage etc. etc…. Ich hoffe, der Ersatz ist OK.
Im Übrigen ist das WPO beim Vergolden des eigenen Markenrenommées doch deutlich geschmackloser. Die fahren nämlich seit Jahren als Kurkapelle auf Kreuzfahrten mit.
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Die Scala hat es auch nicht gejuckt, als die Saudis mitsamt ihren Kashoggis finanziell einsteigen wollten. Alexander Pareira schwafelte lieber von der „positiven Kraft der Musik“. Die Saudis werden es allerdings weiter probieren, denn irgendein Haus wird schließlich zusagen. Ich hoffe stark, dass es nicht SO oder DO sein werden, dann müssen die nämlich auf meine Besuche verzichten.
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Seh ich ähnlich, Joachim.
Danke für den Post
weiß eigentlich jemand, warum der Cooper nicht 1. Horn geworden ist? Der hatte die Stelle doch schon sicher
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….hat wohl nicht gepasst….
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N. Lebrecht nennt „private Gründe“, was immer das heißen mag.
Die Solo-Hornstelle zu besetzen scheint heikel zu sein, insbesondere wenn man die doch inzwischen längere Vakanz vor und nach Martin Cooper in Betracht zieht.
Cooper hat 2017 mit dem wunderschönen Saisoeröffnungskonzert angefangen.
https://slippedisc.com/2018/08/exclusive-berlin-philharmonic-loses-its-american-principal-horn/
Seit kurzem ist Cooper prinicpal horn beim CSO. Hoffentlich klappt es für ihn dort besser:
https://slippedisc.com/2019/05/just-in-chicaog-scoops-ex-berlin-phil-principal-horn/
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Lupu beendet seine Bühnenkarriere!!!!
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Sehr schade. Ich bin wegen seiner Absage nicht ins Philharmoniker-Konzert Anfang Juni, auch wenn Pires weiß Gott keine schlechte Beethoven-Interpretin ist. Hat Lupu seit 2008 kein einziges Mal mit den Philharmonikern konzertiert? Kann das sein? Die DCH verzeichnet ihn nicht. Und der redliche Ax ist währenddessen 7 Mal da gewesen… Dann hab ich Lupu wohl immer mit der Staatskapelle gehört. Jessas, wirklich schade. Und Pollini kommt auch nicht mehr. Brahms und Beethoven mit Lupu, das war schon sehr schön.
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Doch, Pollini kommt nach Berlin. Eines von halbem Dutzend Konzerten bis Jahresende. Jipieehh. Nur noch wenige Karten.
https://boulezsaal.de/de/event/maurizio-pollini-hagen-quartett/2019_12_12_1930
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