Das Kammermusikfestival Intonations im Jüdischen Museum Berlin geht ins achte Jahr. Sechs Konzerte stehen auf dem Programm. Spielort ist der moderne, atmosphärisch starke Glashof Daniel Libeskinds. Angenehm multizentral kreisen die Programme um deutsche Lied-Linien von Schubert über Mendelssohn bis Reimann, um klassische Musikmoderne (Schönberg, Dallapiccola, Eisler),

aber auch um Wiener Klassik. Lockerheit und Varianz sind auch das Prinzip bei den Besetzungen, von der Zweizahl bis zum Oktett reicht das Angebot.

Intonations 2019 Jüdisches Museum Berlin

Das Dienstagskonzert liest die Tradition von der Moderne her. Gestartet wird in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, bei Dallapiccola, dann geht der Blick zurück über Schönberg und Mahler zu Bach.

Von Luigi Dallapiccola zuerst Piccola Musica Notturna (Sextettfassung), ein zartes, karges und nächtliches Werk, das sich eigentümlich entfaltet, insbesondere wenn die Musiker so intensiv dem Ausdruckswert von Gesten und Motiven nachspüren wie nun im Jüdischen Museum. Dann von Arnold Schönberg das ewig junge Meisterfrühwerk Verklärte Nacht auf den noch heute berührenden Text von Dehmel. Die Musiker stufen nervöse Klangfarben und Instrumentalmischungen erfrischend flexibel ab, musizieren mit höchster Sensibilität. Dem entspricht das weich fließende, motivisch warm durchpulste Klangbild, Soli kommen u. a. von A. Sitkovetzky, Adrien La Marca und Madeleine Carruzzo, die bei den Berliner Philharmonikern bei den ersten Geigen, hier aber Bratsche spielt. Ist Schönberg nicht doch der allergrößte Komponist?

Die Ausführenden am heutigen Abend sind neben den bereits Genannten Matthieu Gauci, Tjadina Wake-Walker, Mohamed Hiber, Frans Helmerson, Miri Saadon, Maria Todtenhaupt, Gabriel Schwabe und Nabil Shehata (Solo-Bassist bei den Philharmonikern, habe ich dort selbst noch etliche Male gesehen).

Dann singt Angela Denoke noch die todtraurigen Lieder eines fahrenden Gesellen von Gustav Mahler mit opak leuchtendem Sopran. Im selbstbewussten Zugriff durch die Sopranistin gewinnen die Texte an Kraft und schmerzlichem Ausdruck, am überzeugendsten im letzten Lied, Die zwei blauen Augen von meinem Schatz. Im Widerspiel mit den Sopranlinien Denokes liefert Hendrik Heilmann am Flügel kompromissloses, nicht nur begleitendes Klavierspiel, das mit jedem Ton ins Richtige trifft.

Nach der Pause mutieren Hartmut Rohde und Tim Park zusammen mit Kolja Blacher zum Streichtrio und interpretieren Bachs dreißig raffiniert kurze Goldberg-Variationen (Fassung D. Sitkovetsky) mit viel Hingabe. Man hört hier tatsächlich dreißig verschiedene Arten, ein Stück enden zu lassen. Höhepunkt ist vielleicht Variation 25 mit den liedhaft einfachen Ausflügen von Blachers Instrument, wo die beredte Mischung aus Vibrato und Non-Vibrato immer aufs Neue fasziniert.

Foto: http://www.jmberlin.de/intonations