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Lucia di Lammermoor, eine einigermaßen ordentliche Repertoirevorstellung an der Deutschen Oper.

Zwischen den Kulissen von Filippo Sanjusts Inszenierung (Premiere 1980) nistet mehr Plunder als Genie. Anders als in Sanjusts aufregend altmodischer La Gioconda vertieft die diesmal kreuzbrave Regie mitsamt biederem Gotik-Dekor Handlung und Musik in Donizettis dramma tragico nicht entscheidend. Im Gegenteil. Am gelungensten noch das dritte Bild des Burgsaals mit Tisch und den atmosphärischen beleuchteten Maßwerkfenstern. Leider hat sich auch die Personenführung zu bleiernen Auf- und Abtrittritualen verfestigt.

Als Lucia ist Swetlana Moskalenko mit anfangs schmuckkästchenhaft kleiner Stimme zu hören (Die Dame vor mir: Man muss ja nicht immer die Stars holen). Aber Schmuckkästchenstimme hin oder her, die junge Russin transportiert als auch darstellerisch tragisch anmutige Lucia feine Vokalfarben, klingt zart und lyrisch, trifft das Belcanto-Idiom der 1830er-Jahre einigermaßen genau. Moskalenko bringt Raffinesse und Finish für Donizetti auf. Wirkt sie in Regnava nel silenzio noch gestalterisch unsicher, intoniert auch schwankend, so singt sie die scena della pazzia (Wahnsinnsszene) sorgfältig, belcanto-sicher und findet einen Ton für die Ausbrüche, den man ihr im 1. Akt noch nicht zugetraut hätte. Der als „stark erkältet“ angekündigte und tatsächlich auf offener Bühne schniefende (und sich beim Applaus schnäuzende) Joseph Calleja absolviert die Rolle des unglücklichen Edgardo mit seiner famosen Stimme, die auch heute vibrierend klangvoll tönt, nur eben heute nicht durch schönes Halbstimmen-Chiaroscuro oder Belcanto-Phrasierung auffällt. Die fällt sogar ziemlich flach. Da zollt Calleja der Indisposition Tribut.

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Eher unerfreulich der Enrico (der intrigante Bruder Lucias) von Noel Bouley, der breit, monoton und ohne viel Finesse singt. Besser macht seine Sache Ya-Chung Huang (als aufrichtiger, aber aussichtsloser Nebenbuhler Arturo, vom Fach her ein tenorino amoroso) mit auffallend hellem, sicherem und angenehm schlankem Tenor. Auch Byung Gil Kim als Raimondo (die mutige Stimme der Vernunft) gefällt mit subtil ausgebreitetem und hinreichend schwarzem Stimmmaterial. Ordentlich und engagiert singen Maiju Vaahtoluoto (als Lucias Vertraute Alice) und Jörg Schörner als als Hauptmann Normanno.

Der Dirigent des Berliner Donizetti-Abends ist Jacques Lacombe. Er ist kein Freund differenzierten Orchesterspiels oder sorgfältig ausgekosteter instrumentaler Farben. Auch rhythmische Fantasie vermisse ich. Es ist Routine-Abend mit viel Behäbigkeit und ohne Höhepunkte. Schön allerdings die Hörner im Vorspiel, die Harfe vor Lucias Auftrittsarie und die Flöte während der Wahnsinnsszene.

Lucia di Lammermoor Deutsche Oper Calleja Moskalenko