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Die Wiener Philharmoniker! So selten sind sie gar nicht in Berlin. Einmal im Frühjahr derzeit bei den Festtagen mit Barenboim, letzten Herbst erst in der Staatsoper unter Mehta (schöner Brahms). Aber dass die Wiener mitten im rührigen Advent einige Tage im Berliner Konzerthaus verbringen, ist sehr nett.
Mozarts Flötenkonzert KV313 ist in Berlin fast Terra incognita. Wann haben es die Berliner Philharmoniker zuletzt gespielt? Sehr, sehr lange nicht mehr. Wann das DSO, das RSB? Wann haben die hiesigen Philharmoniker zuletzt eines von Mozarts Hornkonzerten gespielt? Nun also die Wiener Philharmoniker, die bei Mozart Farbe bekennen und das Konzert für Flöte warm beseelt spielen, die Streicher mit der Intelligenz eines Fischschwarms, der immer schon weiß, wohin er muss, die Handvoll Bläser warmtönig und genau. Karl-Heinz Schütz, Soloflötist der Wiener Philharmoniker, bläst berückend frei, findet wundersame Schattierungen des Laut und Leise, exzelliert mit schattenlosen Skalen und spielt so sorgfältig, dass es mir fast nüchtern vorkommt, aber eben großartig nüchtern. Man meint, den Unterschied zu den beiden Soloflötisten der Berliner, Pahud und Dufour, zu hören, die beide quecksilbriger, mit eher französischem Ton spielen, während Schütz schlackenloser, kompromissloser in der Linie klingt. Als Zugabe spielt Schütz Honeggers Danse de la chèvre. Biegsame Linien, lupenreines Piano.

Riccardo Muti dirigiert, wie Richard Strauss es am liebsten hatte, die Linke zwar nicht in der Tasche, aber locker an der Seite. Die Partitur liegt sowohl bei Mozart als auch bei Bruckner auf dem Pult. Die Handzeichen bei Mozart sind minimal. Bei Bruckner werden die Kraftstellen mit parallel angehobenen Händen gegeben, sonst herrscht auch hier die leise Geste. Vorbildlich.
Bruckner Sinfonie Nr. 7. Man hört die nicht gerade selten.
Langsamen Satz und Scherzo habe ich kaum je besser gehört. Die Wiener Blechbläser auch nicht. Was für eine Demonstration an Wohlklang, müheloser Wucht, Ausdruck, schwarzer Tiefe, Zackigkeit. Die singende Brillanz der Geigen im Fortissimo ist phänomenal. Mit pulsierender Schärfe werden die Höhepunkte aufgeladen, und die Musiker können sie tatsächlich im letzten Takt immer noch einmal steigern, wozu Paukist und Trompeter ihren Teil beitragen. Der zweite Teil der Coda von Satz 1 ist ein goldenes Inferno, einunddreißigtaktig, zweiundachtzigköpfig, gut eineinhalb Minuten endloses Glück. Das allererste Mal laufen mir bei der Triangel Schauer über den Rücken (Adagio, Takt 177).

Riccardo Muti macht eigentlich nicht viel. Er lässt es laufen, zieht das Tempo an, wo alle es anziehen, ist langsamer als üblich, aber durch die breite Phrasierung und den satten, kontrastreichen Klang merkt man’s nicht. Der Italiener leitet als weiser Souverän, die Freiheit, die er lässt, bleibt stets spürbarer als die Kontrolle, die er ausübt. Wie Muti den Klang des Orchesters zwischen kompakter Innenspannung und struktureller Lockerung austariert, ist ein Meisterstück. Manches Rubato mutet liebenswürdig, ein bisserl altmodisch an – ganz so wie bei Barenboim. Das lang gezogene erste Thema des Allegro, das sangliche zweite in der Durchführung strömen in beseelter Breite. Hinzu kommt ein wunderbares Legato der Streicher, nicht so düster wie bei Barenboim, nicht so trocken wie bei Blomstedt. Wenn mich nicht alles täuscht, macht sich eine leichte Nüchternheit in der Reprise hörbar, einmal in den kumulativen Figurationsfeldern, die das 2. Thema umspielen, dann in den zerklüfteten Formen der Schlussgruppe. Vielleicht ziehen die Musiker hier auch nur leicht das Tempo an. Das Trio (3. Satz) ist ein Traum, gefällt mit liedhaft schlichter Behäbigkeit.
Das Finale fällt ab. Das massive Tutti öffnet sich recht weit, der Gestus neigt zum Unbeschwert-Hemdsärmeligen. Unwiderstehlich, aber für Berliner Ohren vermutlich einen Tick zu behaglich die Triller der ersten Geigen am Ende der Exposition. Rattle hat es vor einiger Zeit in der Philharmonie besser verstanden, Komplexität und Spannung bis in die letzten Takte des Finales zu halten.
Viel Applaus. Ein großer, reicher Abend.
Weitere Wiener-Philharmoniker-Kritiken: Hundert11, Stage and Screen, Brug.
Irgendwas stimmt hier nicht. Wenn der Kritiker in einem Atem sagt, er habe es nie besser gehört, und dann sei es doch wieder nicht richtig, zeigt er nur sich selbst aus Kreuzberg. Nichts kann ihm passen, nichts ist richtig. Und davon lebt er. Zumindest hier. Und wir erfreuen uns daran.
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Muti ist ein Hitzkopf.
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zum Beweis :
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Oder das :
wer kennt das schon..
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oder so :
nur Peter Seiffert konnte es so, als er noch jung war
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Verdammt, hab nur noch eine Karte für Freitag bekommen. Für Muti waren die günstigen Karten alle schon weg. Hoffentlich wird der Brahms auch so gut!
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Ein wunderbares Konzert, danke Wiener Philharmoniker!
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Man muss sich fragen, warum Herr Muti nicht regelmäßig in Berlin dirigiert. Bei den Berlinern riss er das Publikum mit Tschaikowsi und Schubert hin.
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Irgendwann kriegen wir die Wiener als „Ensemble in Residence“. Vielleicht mal ein Austauschjahr mit den Berlinern oder so.
Ich tat mich schwer mit diesem schönklingenden Konzert. Aber an manchen Tagen sitzt man vielleicht auf den Ohren. Kann mich mit Muti+Bruckner vorerst nicht anfreunden.
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