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Bruckners 3. Sinfonie in der Urfassung. Der Eindruck ist so-làlà. Bekanntlich war die Dritte Bruckners Schmerzenskind. Drei Werk- und zwei Druckfassungen existieren. Die Unterschiede zwischen Fassung 1 (1873) und Fassung 3 (1889) sind immens. Meist bekommt man die Version 1889 zu hören. Einst lobte Eliahu Inbal an den Urfassungen die „ungeheure Kraft“. Inbal sagte: „Wer die Urfassung kennt, kann die späteren Versionen nicht ertragen.“ Mir geht es andersherum. Ich kann beim Hören der Urfassung die Urfassung nicht ertragen.

Ja, die Tollkühnheit des Entwurfs ist da. Doch man hört auch krude Zusammengezimmertes. Crescendo-Steigerungen laufen ins Leere, Klimaxbildungen hängen in der Luft. Wirken erste Themengruppe und Schlussgruppe des Kopfsatzes bzw. das Adagio bei zweiter und dritter Version nicht ungleich schlagender? Peinlicher Höhepunkt des bunten Reigens der Wagner-Zitate in der Version 1873 ist die Apotheose des Pilgerchors im Adagio.

Berliner Philharmoniker Herbert Blomstedt

Was machen Herbert Blomstedt und die Berliner Philharmoniker?

Gelungen sind die genau disponierenden Crescendo-Wellen mit ihrer exakten Verschränkung von Lautstärkegrad und Tempo. Gelungen ist auch das helle Feuer des raschen Finales, wie überhaupt eine helle Durchsichtigkeit in Textur und Farbe an Seitenströmungen des 20. Jahrhunderts, etwa an Nielsen, gemahnt.

Das Scherzo eilt unerfüllt vorüber. Das Trio versucht sich gar an Austrofolklore und Flöten-Kitsch (die absteigenden Achtelfiguren, die mit jenen der zweiten Geigen alterieren).

Jenseits des Finales höre ich wenig Souveränes. Liegt’s daran, dass Blomstedts Misterioso kein Misterioso ist, sondern allenfalls ein sachliches Piano? Dass das Trompetenthema simpel wie Knäckebrot klingt? Überhaupt die Bläser, um deren Einbindung sich Blomstedt wenig kümmert. Blomstedts Zeichengebung beschränkt sich weithin auf eine Technik, die man „die abgeklappte Hand“ nennen könnte. Der Neunzigjährige dirigiert  – wie bis vor kurzem der als Bruckner-Interpret wohl größere Stanisław Skrowaczewski – vom Stuhl.

Wie ungleich fesselnder dirigierte doch vor Kurzem Andris Nelsons Bruckners dritte Sinfonie.

In Mozarts A-Dur-Konzert KV488 spielt Maria João Pires bewundernswert. Ihre Altersstil öffnet sich dem Helldunkel. Anschlag und Abphrasierungen tönen intimer als zur Zeit ihrer Mozartgesamtaufnahmen bei Erato. Uneigennützig integriert Pires den Klang des Steinway in den protoromantisch farbigen, wonniglich milden Orchesterklang. Extravaganz und eine von außen an die Komposition herangetragene Subjektivität hält Pires nicht für richtig. Nur dass ihr Spiel sich bisweilen in Leisheit und Temperamentscheu zu sehr verfängt.

Die Berliner Philharmoniker spielen mit jener Lockerheit, die das Ergebnis harter Arbeit ist. Herbert Blomstedt spielt bei Mozart nur eine Nebenrolle. Besetzung bei Mozart: 10 erste, 8 zweite Geigen, 6 Bratschen, 4 Celli, 3 Bässe.