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Buchbinder spielt das Klavierkonzert Nr. 1 von Beethoven.
Rudolf Buchbinder trifft den ersten Satz sehr gut, den zweiten Satz hervorragend, und das Finale immer noch gut. Aber doch nicht so gut wie Allegro oder Largo.
Buchbinders Leistung besteht in der Offenlegung der großen Bögen. Buchbinder ist einfach, wo andere subtil sind. Er ist sachlich, wo andere geistreich sind. Buchbinders Streben ist es, als Persönlichkeit im Werk aufzugehen. In den gelungensten Stellen gelingt dies auf ebenso einfache wie geniale Weise, so in den weitgespannten Skalenzügen der Durchführung (schrieb Beethoven je eine Durchführung, die zwangloser „richtig“ klingt als diese und gleichzeitig weniger durchführungstypisch motivisch durchgearbeitet ist?). Gerade hier – wie auch im Largo – hört man, wie groß, wenn auch im Detail nicht überreich, das Rhythmusgefühl Buchbinders ist. Die Schattierungsfähigkeit seines Anschlags ist nicht gerade überwältigend.
Affekte fürchtet Buchbinder wie der Teufel das Weihwasser, er hat es mehr mit der Objektivität – der Guardian nannte das einmal „big-boned, full-throttle Beethoven“. Lieber kümmert der Österreicher sich um das große Ganze, fügt zusammen, was zusammengehört – aber darin ist er in der Tat ein Großer. Noch mal zurück zu „als Persönlichkeit im Werk aufgehen“: Etwas bleibt doch übrig, was eher der Stilsphäre zuzurechnen ist als der „reinen“ Darstellung des Werks. Das Staccato nämlich ist auch geprägt von klassizistischer Helle, die Spielfreude im Finale auch begrenzt von willentlich gebändigtem Ausdruck. Da ist dann was Kulturkonservatives in Buchbinders Spiel.
Hübsche Details fallen auf: Das zweite Thema geht Buchbinder in der Reprise lockerer an, schlenkernder in der Melodieführung als in der Exposition.
Und die Kadenz (Buchbinder spielt die mittlere der drei Kadenzen für den ersten Satz) wird bei Buchbinder nicht zur Spielwiese prometheischer Kraftentladungen, ja in den Fortissmoschlägen der Rechten ist eine gewisse Trockenheit unüberhörbar, und dann findet die Kadenz erst beim zweiten Thema die Größe selbstloser Beethoven-Darstellung.
Für die As-Dur-Kantilene des Largo findet Buchbinder innere Ruhe und gesammelten Ausdruck (Buchbinder und Thielemann legen eine feine, aber spürbare Note des Eilens in diesen Satz). Auch hier gilt: Buchbinder meidet jede Ausdrucksschwere, ist eher einen Tick flüchtiger als nötig.
Dem Finale bleibt Buchbinder doch Gefühlsschwung, Feuer und Temperament schuldig.
Die Orchesteraufstellung bei Beethoven: Celli und Bratschen mittig, Geigen auf den Seiten, die Streicher in 2er-Schritten gestaffelt: 12 erste, 10 zweite Violinen, 8 Bratschen, 6 Celli, 4 Kontrabässe. Pauken rechts hinten.
Nach der Pause Anton Bruckners Sinfonie Nr. 7.
So fein auszelebriert die Pianissimi der Streicher gelingen, so glückhaft leuchtend die Phonstärken, so lodernd die Coda von Allegro und Finale, so elegisch sich die deklamatorische Pracht des Themas im Adagio entfaltet, so problematisch bleibt die Interpretation von Christian Thielemann als Ganzes. Bei aller Emphase, bei aller bedeutungsschweren Rubato-Delikatesse vermisse ich Gefühl für Zusammenhalt, Dramaturgie. Alles ist Klang. Alles ist Szenerie. Und am Ende überwiegt die Freude am phantastisch ausdetaillierten Detail doch die Architektur. Am schlüssigsten gelingt das Scherzo. Die Berliner Philharmoniker spielen akkurat, mit viel Gefühl.
Thielemann gibt die Blumen an Solène Kermarrec weiter.
Ich höre mir Thielemann & Buchbinder morgen an und werde mich persönlich überzeugen, was Thielemann mit der Siebten macht. Skrowaczewski ist eben doch der bessere Brucknerdirigent? Für Samstag soll es übrigens noch Podiumsplätze geben. Ist der Rummel um Thielemann in Berlin vorbei?
Buchbinder ohne Zugabe?
Das offene Stelle Solo-Horn ist übrigens nicht mehr als vakant ausgeschrieben:
https://www.berliner-philharmoniker.de/offene-stellen/
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Zugabe Sonate op. 31/2 Finale.
Übrigens, der Solohornist gestern Abend war vielleicht Samuel Seidenberg, bin mir aber nicht sicher
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Das war doch Paolo Mendes, der neue :-)
Neuer Solohornist ist tataaaaaaaa David Cooper!
Hat Sarah Willis gerade bekannt gegeben!!
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Die Preise wurde deutlich erhöht, deshalb wohl die einen Tag nicht restlos verkauften Podiumsplätze.
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Thielemann and Bruckner’s 7th… music for eternity… just wow
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Ihr Urteil in allen Ehren, aber wir empfanden es genau anders herum. Das Klavierkonzert schwächer, die Symphonie Nr7 mit tollen Differenzierungen und einer Klanggewalt, von der wir hellauf begeistert waren. Ich schätze Buchbinder außerordentlich, hätte aber mehr aus dem Konzert machen können. Bruckner wie gesagt toll bis zum geht nicht mehr, wenn ich mit Meiner Meinung nicht total daneben liege.
Grüße Heiner
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Metzmacher 4. für mich um Welten spannenderer Bruckner als Thielemann 7, bei aller Ehrfurcht. Buchbinder rulez. Ich werde morgen was drüber schreiben.
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Zugabe übrigens am 2. Abend was anderes, Scherzo aus op. 31,3. Nach der Pause saß Buchbinder in Block A und hörte sich Bruckner an.
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Freut mich für Metzmacher, und für Sie. Die Bruckner 4 unter Thielemann fand ich vor einigen Jahren besser, vor allem in den Ecksätzen. Ich muss auch gestehen, dass die Siebte überhaupt nicht zu meinen Lieblingssinfonien gehört (der etwas lahme erste Satz, es dauert 5 Minuten bis zum ersten fff etc).
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Jetzt ist es offiziell
https://www.berliner-philharmoniker.de/news/detail/david-cooper-gewinnt-solo-horn-probespiel/
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Danke!
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Man muss nicht immer alles glauben, was geschrieben wird, u.a. auf dieser Seite. So weit ich es verfolgen konnte, hat der Abend den Musikern sehr gefallen. Der Augenkontakt zwischen Dirigenten und Musikern war intensiv und Thielemann strahlte eine unheimliche Kompetenz aus. Zudem spielten die Streicher traumhaft. Einen tiefer empfundenen Bruckner hörte ich selten und glauben sie mir, ich habe schon viele Dirigenten kommen und gehen sehen.
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Wenn ich Bruckner höre, denke ich an Celi. Es war einfach das traumhafte Hörerlebnis. Kurz nach der Übername der Münchener durch Thielemann hörte ich ihn mit der Siebenten in Berlin. Mein damals zwölfjähriger Sohn war auch zugegen und äußerte,“ Papa ich habe den Eindruck der Dirigent weiß nicht so recht wie er es spielen soll.“ Bezogen auf die Siebente würde ich mich heute noch der Meinung meines Sohnes anschließen.
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Zwei kleine Bemerkungen über das Konzert hinaus:
1. Etwas seltsam:
Das Gespräch in der Digital Concert Hall mit Thielemann begann ursprünglich mit dem Hinweis C. Streulis, man werde mit CT alle Sinfonien Bruckners aufführen – und einspielen. Das wäre, auch angesichts Thielemanns Arbeit an einem Bruckner-Zyklus in Dresden, schon bemerkenswert.
Rätselhafterweise hat man nach wenigen Tagen diese Passage aus dem Interview entfernt.
2. Für den Bruckner geneigten Mitleser der ersten Januarwoche 2017 möchte ich noch drauf hinweisen, dass Barenboim mit der Kapelle gerade in Paris unterwegs ist. Die Konzerte mit den Sinfonien 1-3 am 5.,6. und 7. werden live und kostenlos übertragen.
https://www.staatskapelle-berlin.de/de/
PS.
Neues Layout gefällt, macht einen aufgeräumteren Eindruck.
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Womöglich kann Thielemann sein Bruckner-Ideal besser mit der Staatskapelle Dresden realisieren.
Danke für den Tipp zur Berliner Staatskapelle. Ich werde sogar reinhören. Der Stream ist kostenlos, das könnte sich die Concert Hall was abschauen.
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