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Es liegt in der Natur des Menschen, Geburtstage zu feiern, wenn sie fallen. Auch die Komische Oper Berlin ist menschlich und feiert. Premiere Britten Sommernachtstraum.
Der Anfang ist nicht einfach.
Hier bitte nur reingehen, wer Carmen, Tosca, Zauberflöte und Aida schon zwei Mal gehört hat, besser ist drei Mal. Kleiner Scherz. Aber, ganz offen gesprochen, es kann Probleme geben. Brittens Oper (Spät-1950er-Musik) setzt auf Pathosferne: Sie hören wenig Symphonismus, viel hingetüpfeltes Intermezzo. Rossini ist geradezu ein Symphoniker von brucknerscher Klangwucht gegenüber diesem Britten. Empfehlenswert ist Brittens Sommernachtstraum für Wagnerverächter (wegen des ironisch aufgelichteten Klangs) und Puccini-Skeptiker (wegen des absoluten Mangels an Ohrwürmern). Der Rückgriff auf barocke Formeln macht es dem Zuhörer nicht unbedingt leichter. Britten schreibt ein Minimum von vier (erste Geigen) bzw. zwei (zweite Geigen bis Kontrabass) Instrumente je Streichergruppe vor. In punkto Klang: Zum artifiziellen Klang tragen zwei Harfen, Xylophon, Gongs, Cembalo bei. Bei den Elfenchören, die von Kindergreisen gesungen werden und über deren Primitiv-Melodik die Neanderthaler schon hinaus gewesen sein dürften, bekomme ich immer pickelige Haut vor Ungeduld. Ich fasse nochmals zusammen: Es kann Probleme geben.
Die Inszenierung (Viestur Kairish) pflegt einen bunten Juxstil, der allerdings nicht auf (psychoanalytischen) Hintersinn verzichtet, nein, ganz im Gegenteil, der geradezu eine erfrischende Liebe für die großen und kleinen Infantilitäten der singenden Personen an den Tag legt. Guck an, sage ich mir, das ist der Grundzug der Inszenierung. Das Pech von Kairishs Regie ist das Bühnenbild (Ieva Jurjāne), erstens weil es eine ziemlich langweilige, schluchtartige Felsszenarie vorstellt und zweitens weil dies während der ganzen Inszenierung zu sehen ist. Die gelungensten Gags sind die Elfen als fidele Rentnertruppe (Kinderchor, oft ungenau) und Stefan Sevenich als Zettel (Bariton, rollenfüllend) in optisch starker Eselsgestalt. Ohne dass das einen Sog schüfe, der mich vom Hocker reißt. Naja, in den hinteren Reihen sitzen Zuhörer, die durch wieherndes Lachen auffallen. Viestur Kairish highlightet das Spaß-Potenzial in Brittens Mittsommernachtsstück und implementiert mit besonderer Hingabe einige sexuelle Gags. Ist ja nicht schlimm. Ich sage es nur. Die Teddy-Thematik war mir persönlich ein bissl zu viel Freud-Zeugs, Jung-Zeugs. Andererseits: Spaß macht das Ganze auf Dauer schon. Nur machmal eben nich.
Dirigentin Kristiina Poska managt die spezifische Britten-Atmosphäre mit Scharfsinn, mit Gefühl für die Modernität und für das Baukastenprinzip von Brittens Shakespeareoper. Das kommt dem farblichen und vor allem rhythmischen Reichtum der Oper zugute. Wahrscheinlich geht das auch härter, mit mehr klanglicher Fülle.
Die Sänger singen mit deklamatorischer Deutlichkeit, Nicole Chevalier (Titania) versorgt die Zuhörer mit temperamentvollen Sopranspitzen, die langgewachsene, hübsch bebrillte Adela Zaharia (Helena) kämpft mit sicherer Höhe um günstige Männergefühle, David DQ Lee gibt den Oberon im 1. Akt sehr genau, Tansel Akzeybek den Lysander mit metrosexuell schlankem Tenor. Annelie Sophie Müller gibt uns eine quirlige Hermia mit absolut überzeugenden Wutanfällen, Günter Papendell einen liebend besorgten Demetrius.
Die weiteren Rollen:
Alexey Antonov (Theseus)
Christiane Oertel (Hippolyta)
Gundars Āboliņš (Puck)
Eine Premiere, die Licht und Schatten hatte, jedoch summa summarum mehr Licht als Schatten. Die Inszenierung hatte wunderbare Momente, wenn man an die drollige Theateraufführung denkt, – aber in der Tat auch manche Längen. Meine Frau und ich sehnten die Pause geradezu herbei. Brittens Opernstil kenne ich von Peter Grimes und Billy Budd, der gestrige Abend war eine sehr interessante neue Erfahrung für mich. Ich fand das alles sehr erfrischend, sehr passend zur prickelnden Sommernachtstraum-Thematik, die das Team um Regisseur Viestur Kairish mit viel Fantasie umsetzte.
Der zweite Akt war großartig. Farblich exuberant, großartige Personenführung, die Komik wurde sehr gut herausgebracht, musikalisch sehr ansprechend.
Eine sehr wichtige Premiere für Berlin.
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Wiity, clever staging.
Viestur Kairish has a thing (or two) to say about Britten’s masterpiece.
Bravo!
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Es war ja klar, dass die Komische Oper den Sommernachtstraum mit heißer Nadel strickt. Viel heiße Luft um nichts. Hat jemand eine Ahnung, was die 10.000 Teddybären bedeuten sollten?
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Heiße Nadel gestrickt? Versteh ich nicht. Natürlich wird ein Sommernachtstraum anders inszeniert als Fidelio. Wer würde denn auf die Idee können, Rossini wie Bernd Alois Zimmermann zu inszenieren?
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Über die Regie kann man streiten. Mir persönlich ging es etwas zu wahllos zu. Die Reaktion des Publikums habe ich als leidenschaftslos positiv empfunden. Keine Begeisterungsstürme, ein, zwei Buhs, perfekt für ein Regiedebüt, wo es einen Anfängerbonus geben sollte. Kristiina Poska ist eine Entdeckung. Nicht umsonst gab es den Deutschen Dirigentenpreis 2013. Nach Petrenko scheint die Komische Oper erneut ein gutes Händchen für die Wahl des Chefs bzw. der Chefin. Poska scheint auch vom Spirit her ans Haus in der Behrensstraße zu passen.
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medium gelungen
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Verehrter Schlatz, wenn man Britten nicht mag ist das ja in Ordnung, aber dann bleibt man daheim und verfasst keine Rezension, die vor Borniertheit nur so strotzt…..
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Verehrter Herr Koch,
ganz falsch. Ich verehre Illuminations, Lachrymae, War Requiem, Serenade op.31. Mit dem Sommernachtstraum und mit Phaedra (diesjähriges Musikfest) haut es nicht hin. Ich mag die Pastorale nicht sonderlich. Trotzdem gehe ich hin, wenn Rattle dirigiert. Jeder hat seine Vorlieben, und besser der Leser merkt nach drei Sätzen, woran er mit mir ist, als wenn der Leser bis zum Schluss keine Ahnung hat, was dieser Schlatz eigentlich denkt.
Grüße
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Britten ist eine Sache – Die Inszenierung an der Komischen Oper eine andere. Ehrlich gesagt, fand ich diese langweilig bzw. mir unbegreiflich. Die Leistungen der Künstler waren angesichts der Regie daher umso mehr beachtenswert. Am besten man macht ab und zu während der Vorstellung die Augen zu..
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