Der Besuch der Komischen Oper ist heute Abend ein hartes Stück Arbeit, erleichtert nur durch die laue Berliner Frühsommerluft, die durch die Behrensstraße weht.

Als unvoreingenommener Hörer schätzt man Le Grand Macabre von György Ligeti als exzentrischen Nonsens sowie als urwüchsiges Meisterwerk. Die Handlung stellt Probleme, die der Verstand nicht allein lösen kann. Das kennt man auch von Wagner. Die Musik in Le Grand Macabre besitzt geschärfte Schönheit – und einen Erfindungsreichtum des Klangs, der Daniel Düsentrieb alle Ehre gemacht hätte. Sie ist Fanfaren-gespickt. Sie muss ein Fest für einen ehrgeizigen Schlagwerker sein. Das Orchester spielt mit großem Apparat, aber kleiner Streichergruppe (4 Geigen, 2 Bratschen, 6 Celli, 4 Bässe). Es herrscht ein bemerkenswerter Artenreichtum an exotischen Instrumenten: bspw. 5 Arten von Pfeifen, 6 Türklingeln, 2 Sirenen und 1 Entenquake. Es gibt auch eine Lotosflöte und ein volles Dutzend mechanischer Autohupen. Das Blech ist geradezu klassisch-spätromantisch vertreten: 4 Hörner, 4 Trompeten plus Basstrompete, 3 Posaunen. Die Leitung hat Baldur Brönnimann.

Der Grundzug von Barry Koskys Inszenierung ist farbenfrohe Derbheit. Das Ganze soll eine veroperte Blödel-Farce sein. Das Ganze IST eine veroperte Blödel-Farce. Aber trotzdem: Hmmm. Kann man machen. Ich kann mir vorstellen, dass man Le Grand Macabre mit virtuoserer, sensiblerer Regie-Patsche anfasst. Weniger Stand-WC auf der Bühne. Weniger poppen.de. Davon heute Abend keine Spur.

Flimmernde Schönheit bietet das planetenluftatmende Sopran- & Mezzoduett „Schnee war ich, doch bin zerflossen“ zu Beginn (Amando Annelie Sophie Müller, Amanda Julia Giebel). Schönheit bietet das berührende „Oh weh! Oh weh!“ der tragisch triebverfolgten Mescalina (Michaela Lucas).

Die Sänger singen und spielen, und beides mit Lust an der Sache. Eir Inderhaug ist zuerst schlipsige Venus, dann Gepopo (Koloratursopran). Claudio Otelli ist ein eindrucksvoller Nektrotzar, Chris Merritt Piet vom Fass, Andrew Watts ein ausgezeichneter Go-Go, Jens Larssen ist Astradarmos, Tansel Akzeybek Weißer Minister, Carsten Sabrowski Schwarzer Minister.

1:54 Stunden. Ich bin fix und fertig, als ich rauskomme. Aber gute Musik. Extremst hörenswert.