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Was für ein komisches Konzert. Komisch war es wegen Jurai Valcuha und wegen Tschaikowsky.

Juraj Valcuha? Es war interessant, Valcuha zuzuschauen. Manchmal kringelte man sich vor Kichern – in Gedanken natürlich. Valcuhas Dirigierstil war DAS Pausengespräch. Sein Stil hat was von Anno 1890, schätze ich.

Etwas von Thielemanns modischem Altmodisch-Tun (beim Trio der Vierten, Beethoven, Wiener, Dezember 2010, ein Mittwoch wars) war zu sehen. Meiner Einschätzung nach erreichte Valcuhas Dirigat eine Reichweite von drei Stuhlreihen in der Mitte des Orchesters und vier bis fünf Stuhlreihen links und rechts. Valcuhas Rechte wippte mit der Präzision einer Uhr auf und ab. Es ist die Präzision eines nicht uneiteln, sehr ehrgeizigen, aufstrebenden, nicht unbedeutenden Talentes. Man kann sich vorstellen, wie Valcuha einen Rigoletto zu einem Schaltwerk von Schweizer Präzision aufpäppelt.

Ich komme zu einigen Impressionen vom Samstag-Abend-Konzert.

Was man hin und wieder abspeichert… Nikolaj Znaider war bis zu diesem Samstagabend für mich eine – Achtung, Bildungsbürgertum, herhören! – Quantité négligeable -, heute ist er für mich einer der besten Geiger. So schnell kann es gehen. Geiger Znaider hat einen innigen, energischen, präzisen Ton von ansteckender Burschikosität. Es gibt eine stets aus der Musik entwickelte Leichtigkeit und eine gleichfalls burschikose, liebliche Attacke, nirgendwo hört man virtuosen Leerlauf. Die stets etwas eigenmächtige, fast hätte ich gesagt barenboimsche Akzentsetzung begeistert anstatt dass sie stören würde, da sie immer so hinhaut, dass es Spaß macht zuzuhören. Der Ton ist nie so mythisch-röhrend wie bei Repin, und nie so exzessiv kontrolliert wie bei Anne-Sophie Mutter. Die Kontrolle übers Gespielte kommt bei Znaider spielerisch, mit Leichtigkeit.

Die Person rechts neben mir sagte, als Valcuha und Znaider beide auf dem Podium erschienen: zwei Schlonzis. Das lag am Gel im Haar.

Matthew McDonald reißt im Tschaikowsky-Finale eine Saite. Er verlässt mit professioneller Diskretion das Podium. Ich dachte spontan, das wäre ein stummer Protest gegen Programmauswahl oder Dirigat, bzw. im schlimmsten Fahl gegen beides. Das Saiten-Malheur war eine Folge von zu viel Rumschrammeln, wa? Marion Reinhardt immer noch mit kurzen Haaren.
Konzertmeister sind die Herren Stabrawa und Kashimoto. Zdzisław Polonek ist da, Polonek beugt sich während des Schlussapplauses zur Bratscherin rüber, der Valcuha die Blumen weiterreichte. Ein unbekannter Solo-Hornist trägt blonden Pferdeschwanz. Das gefällt mir. Von der sonstigen Hörnerriege habe ich ansonsten aufgrund Block F ganz oben links keine Haarlocke gesehen. Emmanuel Pahud (diese Trillerchen im Sibelius-Finale tauchten ähnlich bei Tschaikowsky auf). Wenzel Fuchs.
Mein linker Sitznachbar meinte: samstags ist das Publikum unruhiger als sonntags.

Die Tschaikowsky-Sinfonie: Valcuha macht es so-là-là. Wenn Beethoven-Dritte angekündigt war, wirkt Tschaikowskys Erste schon wie reichlich grünes Gemüse. Aber der hochmelodiöse, lieblich-zärtliche Hörnerchor im zweiten Satz jagt einem doch Schubert-Schauer über den Rücken.

Kritik/Review Juraj Valcuha: da ist Platz nach oben.