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Man mag 1000 gute Gründe dafür haben, ein treuer, wohlwollender und zufriedener Besucher der Deutschen Oper an der Bismarckstraße zu sein. Es gibt zumindest einen Grund für mich, kein treuer, wohlwollender und zufriedener Besucher zu sein. Dieser Grund sind die Dirigenten. Wenn man das x-te Mal in seinem Leben einen Tristan hört, will man ein Dirigent und ein Orchester hören, das ein gewisses Extra bietet, einen ästhetischen Mehrwert, also mehr als eine übersichtliche Abfolge des musikalischen Geschehens. Ich habe an der Deutschen Oper einen Tristan gehört, der von Pinchas Steinberg so haarsträubend übersichtlich dirigiert wurde, dass mein Opernglas seinen Geist aufgab. Seitdem weigere ich mich beharrlich, Wagner in der Deutschen Oper zu hören.

Wenn man Glück hat, aber auch nur dann, herrscht an der Deutschen Oper gegenwärtig ein Dirigier-Niveau, das an der Staatsoper etwa von Philippe Jordan repräsentiert wurde. Will sagen, man hört eine zuverlässig, kompetent, kenntnisreich geleitete Oper. Wenn eine Aufführung nicht mehr als kenntnisreich ist, kann ich als alter Opernfuzzi das Ganze auch Zuhause anhören. Weiß man in der Deutschen Oper nicht, welch eine ohrenverdrehende Sache Unter den Linden Dudamels Don Giovanni war? Oder wie erinnerungswürdig Rattles Pelléas et Mélisande? Oder wie charmant und leichtfertig Zubin Methas Fledermaus? Oder was René Jacobs leistet? Ganz zu schweigen davon, dass man nach einem Parsifal, einem Tristan, den Meistersingern, einer Carmen, dirigiert von Barenboim, eine entsprechende Aufführung an der DOB nach den ersten zehn Takten für einen schlechten Scherz und für den Rest für eine Zumutung hält.

Es ist nun einmal so, dass das Orchester der DOB weniger leidenschaftlich als die Staatskapelle spielt, Punkt. Die Staatskapelle hat auch ihre rabenschlechten Tage, aber die seien einem Orchester, das jeden Tag ran muss, mit vollem Herzen gegönnt. Nebenbei: Ich liebe Eleganz und Understatement des Baus der Deutschen Oper. Es ist sehr gute Architektur. Was aber nicht eine gewisse sehr geräumige Atmosphäre des Innenraums entschuldigt. Er wirkt auf mich immer wie eine Garage, in der hinten nur die Hälfte von dem ankommt, was vorne produziert wird. Selbst wenn vorne die kräftige Maria Guleghina wie eine Sirene aufheult, muss ich meine Ohren zu äußerster Konzentration anhalten, um das Gefühl zu haben, jeden Heuler in seiner ganzen akustischen Vollständigkeit aufnehmen zu können.