Schlagwörter
Berliner Philharmoniker – Simon Rattle: CHRISTINE SCHÄFER Strawinsky Apollon Musagete Mahler Sinfonie Nr. 4
Es ist schlimm. Man muss einfach hin, wenn Rattle und die Berliner Mahler machen. Auch wenn ich lieber Fußball geschaut hätte, Arsenal gegen Barcelona, mal wieder Lionel Messi zuschauen. Aber man muss, wie gesagt. Das Programm ist eine harte Nuss. Im Apollon Musagete übertrifft Strawinsky sich – und andere natürlich vierfach – an Understatement. Die Person, dessen Lieblingsstück der Apollon Musagete ist, erhebe sich bitte. Jede Wette, dass Strawinsky wenig Spaß beim Komponieren dieses Stücks hatte. Ich hatte nicht allzu viel Spaß beim Hören. Die Philharmoniker spielen quasi von selbst. Rattle gibt eine Prise Salz hinzu, aber nur eine Prise.
Die Vierte von Mahler ist sozusagen Mahlers Apollon. Ihre Orchestrierung ist geradezu fadenscheinig, man sieht durch sie hindurch. Der Ton der 4. ist Mahlers unveräußerlicher Privatbesitz, im Portfolio der Dritten entdeckte man hier und da noch Anleihen bei der berüchtigten Wagner- bzw. Bruckner-Bank. Christine Schäfer hat eine Frisur wie Anne-Sophie Mutter, zumindest sieht es von hinten so aus. Ihr Kleid – ist es nicht eher ein Overall, der über die Knie reicht? – sieht aus wie ein Strampelanzug, in meinen Augen ein ganz klares modisches Waterloo. Die transparenten Ärmel, die in transparente Handschuhe übergehen, versöhnen mit dem Strampler. Irgendwas daran sieht nach Berliner Mode aus. Ich könnte schon wieder wetten. Was werden die Londoner, wo die nächste Spritztour der Berliner hinführt, von diesem Teil halten? Ich höre glockenklare, leichte, schön angesetzte und sehr schöne, raffiniert zitternde Spitzentöne.
Jipps ja nich. Da ist er wieder. Wie lange habe ich Emmanuel Pahud nicht mehr gehört? Mir geht das Herz auf, als Pahud loslegt. Jipps ooch nich. Madeleine Carruzzo ist auch wieder da. Jonathan Kelly Oboe, an den Klarinetten der junge Schwarzhaarige und Walter Seyfarth, Daniele Damiano Fagott. Kashimoto und Braunstein Konzertmeister. Erste Bratschen Grosz und Shimizu. Tarkövi Trompete. Auch das männliche blonde Haarwunder sitzt unter den zweiten Geigen, ein absoluter Hingucker.
Da ich gerade beim Haar bin – inzwischen hat das Haar von Rattle wieder etwas mehr Volumen. So sieht es besser aus. In der Pause sehe ich endlich mal wieder den (sehr guten) deutschen Fernsehschauspieler. Er hebt ein Glas, hinter einem Pfeiler verborgen. In der Pause schaue ich die Dokumentation zu Gustav Mahler im Foyer an. Ich sehe Mahler auf dem Dampfer, Mahler im Opernfoyer, Mahler in Südtirol. Ich lese den ausgeschnittenen Zeitungsartikel, der die Aufführung der Neunten von Mahler unter Karajan bespricht.