Simon Rattle Ruth Berghaus Magdalena Kozena Robert Lloyd Hanno Müller-Brachmann William Burden
Simon Rattle Pelléas et Mélisande (die Kritik zur Aufführung der Berliner Philharmoniker 2015 unter Rattle lesen sie hier). Es ist eine Oper im Bereich unglaublicher Perfektion. Debussy packt auch Hochdramatisches rein. Einige Stellen hören sich so an, als hätte Wagner den Parsifal mit 25 und nicht mit 75 komponiert. Sehr schöne Tristan- und Parsifal-Reminiszenzen. Anderes klingt nach dem Finale aus Madame Butterfly. Aber Hut ab vor der allergrößten der nach dem Parsifal geschriebenen Opern. Dagegen klingt Strauss wie Operette, na ja, Rosenkavalier ausgenommen. Magdalena Kozena ist schwanger und schafft eine urphänomenhafte Anrufung der Heiligen, fabelhaft entgeisterte Blicke und eine wagemutige Purzelrolle abwärts. Hanno Müller-Brachmann ist Golaud (autoritär tragisch, Klischees meidend wie der Teufel das Weihwasser). Robert Lloyd ist Arkel (sehr schön, menschlich-einsam vom Alter ausgehöhlt). William Burden ist Pelléas (wenig französisch, ein Don José ins Symbolistische versetzt).

Bunte Farben, große Stimmen, ein genialer Simon Rattle am Pult der Staatsoper Berlin // Foto: Monika Rittershaus / staatsoper-berlin.de
Nach den Ostervorstellungen der Meistersinger von Barenboim vor zwei Wochen ist Pelléas et Mélisande von Rattle die diffizile Pastorale nach dem volkstümlichen Osterlamm. Ruth Berghaus‚ karge Inszenierung ist von meisterlicher Mottenkugeligkeit. Die Personenführung besticht. Das eine oder andere Kostüm stellte anscheinend die anthroposophische Gesellschaft Berlin bereit. Um in punkto Hochromantik und Neoromantik nicht durcheinanderzukommen, ließ ich leichten Herzens die Karte für den Tannhäuser am Samstag in den Landwehrkanal fallen und konzentrierte mich vollständig auf Debussys Neo-Opus am Tag darauf. Neben mir sitzen zwei Russinnen, jeweils in Form einer Dame. Touristinnen, seufze ich. Beide heulen, als Mélisande stirbt.