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Dido and Aeneas Staatsoper Berlin Attilo Cremonesi Sasha Waltz Aurora Ugolino Reuben Willcox Deborah York

Dido und Aeneas von Henry Purcell ist gewiss auch eine der ergreifendsten Opern, ihre Musik ist sicherlich mit die schönste, die es geben kann, doch was hier alleine wichtig ist, ist der Umstand, dass diese Berliner Dido und Aeneas das Umwerfendste ist, was es in Berlin zu sehen gibt (Nina Hoss einmal ausgenommen). Die Choreographie ist von Sasha Waltz. Attilo Cremonesi dirigiert die Akademie für Alte Musik Berlin. Sasha Waltz herrscht, ihre Inszenierung herrscht, Henry Purcell herrscht (dieser Mozart von 1680). Integriert wurde auch Musik von anderen Theatermusiken Purcells.

Achtung, konzertierte Aktion! Sasha Waltz inszeniert an der Staatsoper Berlin // Foto: Sebastian Bolesch / staatsoper-berlin.de

So kommen pausenlose knappe zwei Stunden zusammen. Diese Inszenierung packt einen, es gibt nichts Vergleichbares, das ich kenne. Es wird gleichzeitig gesungen und getanzt. Dido steht als Sängerin und als Tänzerin auf der Bühne, ebenso Aeneas. Purcells Musik ist auf höchster Höhe, in ihrer Kürze, Sinnfälligkeit, in ihrem Ideenreichtum wie von Purcell gewohnt – nur man vergisst dies immer wieder. Auf der Bühne steht ein flugzeuggroßer, wassergefüllter Glaskubus, in dem Waltz‘ Tänzer einander umschlingend umtauchen. Oder sich tauchend umschlingen. Oder sie steigen hinein, oder steigen hinaus. Man kann es schlecht beschreiben, doch die Wirkung ist umwerfend. Es hat was Allegorisches, was Tödliches, was Zeichenhaftes, Berstendes, wuchernd Barockes, etwas von alogischer Systematik.

Sasha Waltz‘ Purcell ist rasch und süß und leise wie Mozart und pathetisch und diktatorisch wie Wagner. Die Berliner Dido und Aeneas ist verspielte Hyperkunst, und sie ist tränentreibend wie weniges. Diese Dido ist Theatersymbolik, kalkulierte Mischung der Künste, aber sie hat die Wucht, die Schärfe einer Realität, wie sie nur auf der Opernbühne zustande kommt. Es durchsticht einen wie ein Messer oder wie der freie Fall aus dem Bühnenhimmel. Jede Aktion scheint komprimiert, und ist doch eine von Sasha Waltz weichgezeichnete (für uns Zuschauer) Übersetzung einer grausameren Wirklichkeit. Grandioses Musiktheater. Allein dafür liebt man die Lindenoper die nächsten zehn Jahre. Aurora Ugolino (Dido), Aeneas (Reuben Willcox), Deborah York (Belinda) sind die Sänger. Man hat das Gefühl von etwas nicht Wiederkehrendem. Im Ganzen von betäubender Wirkung.