Daniel Barenboim Thomas Quasthoff

Kritik Daniel Barenboim. Seit dieser Saison gibt es an der Staatsoper Berlin den Barenboim-Zyklus, der an sechs Sonntagvormittagen Lied, Kammermusik und Soloklavier bringt, immer mit Barenboim am Flügel. Vor Weihnachten gab es Kammermusik (Mozart, Carter, Brahms) sowie den alles in Grund und Boden singenden, beängstigend makellosen Thomas Quasthoff (Daniel Barenboim am Flügel) mit Brahms‘ Magelone und nun am 20. 1. 2008 Barenboim solo mit reinem Liszt-Programm. Man sah Leute, die man eineinhalb Tage zuvor in der Philharmonie gesehen hatte, als Barenboim das erste und fünfte Klavierkonzert von Beethoven dirigierte und spielte. Wer wollte, konnte innerhalb von fünf Tagen vier Mal Barenboim am Klavier hören. Hübsch, was?
Hier ist der Bericht von Barenboims Liszt-Recital. Auf der Bühne steht ein Flügel (in der Philharmonie spielte Barenboim ohne Deckel, hier in der Staatsoper mit geöffnetem). Barenboim trägt weißes Hemd und Krawatte unterm Frack.


Barenboim spielte zum Anfang die Sonette 47, 104, 123 aus den Années des Pèlerinages etwas zu unklar. Die Themen kamen nicht groß genug raus, sie hauchten ihr Sentiment nur aus, statt es zusammenzufassen. Der Anschlag klang ab und an gleichförmig, und besaß nicht das letzte Quentchen rhythmisches Rückgrat. Es war Versenkungsmusik, gespielt von einem schon Versunkenen. Wer als Zuhörer nicht versunken war, hatte es schwerer. Liszts St. Francois d’Assise war konzentrierter, und akkurater im Abtönen, das Après une Lecture de Dante dann unglaublich im rastlosen Wandel der Klangfarben und ozeanhaften Rauschen der Musik. Die Exaltation, das atmende Anrollen kam großartig heraus. Schlechthin perfekt schienen mir dann die abschließenden (es gab keine Pause) Paraphrasen Liszts zu Aida, Rigoletto und Trovatore. Der Anschlag im Forte energisch, durchdringend, von metallischer Schärfe, im Piano von leiser Fülle, fließend, singend, anhebend, Augen aufschlagend. Die Lebendigkeit und Präzision der Stücke waren kolossal. Das kann Barenboim: diese singende Gewalt, diese schwer strömende Melodie.