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Festtage 2007 Mahler-Zyklus Barenboim/Boulez
Staatskapelle Berlin – Daniel Barenboim: Mahler 9. Sinfonie
Konzertkritik Daniel Barenboim. Überall ist dieses warme Licht, das Parkett ist rammelvoll, die Stehplätze sind mehrfach besetzt. Acht Uhr, das Staatsopernorchester lässt sich Zeit. Dann kommt das Orchester, Applaus, dann kommt der Konzertmeister, Applaus, dann kommt Barenboim, dicker Applaus. Dann geht’s los, Stille. Mahler Neunte.
Sehr schön alles. Das Andante ist gut, der Ländler ist Weltklasse. Die Rondo-Burleske vielleicht das Beste, was es diese Saison bislang in der
Philharmonie gab (als ich da war, natürlich). Barenboim macht Musik: So als schleudere er einen blutigen Hasen hin und her. Es erhebt keinen Anspruch auf Schönheit, aber es ist etwas, das man nicht vergisst. Von überallher kommt’s. Ich wusste nicht, dass ein Orchester an so vielen Baustellen gleichzeitig ranklotzen kann.
Vorherrschend ist die wilde, selbstherrliche, barenboimsche Logik nicht nur der Phrasierung, sondern auch der Massierung von Stimmern. Es gibt wieder diese ganz typischen Verzögerungen im Phrasenaufbau, wie im Parsifal Februar 2007 schon gehört. Es geht aufwärts, da, auf einmal: zwei Noten leicht verzögert, dann geht es weiter aufwärts. Irregularitäten, Unlogisches, so wie eine bisher nicht gehörte, ja nicht einmal gesuchte Logik. Barenboims Orchesterführung erschafft eine singende Gewalt, eine Zusammenfassung der verschiedenen Stimmen zu expansivem, heftig bewegtem Klang. Einkalkuliert sind die Unschärfen der Tonkanten, bewusst realisiert ist die quasi improvisatorische Wirkung. Diese Emphase, dieses Singende, verbunden mit der Suche nach einem Äußersten an Drama, ist wohl auch verantwortlich für den spezifisch humanistischen Kern bei Barenboim.
Das Adagio verlängert sich, wird länger, ewig lang. Man erwartet das Ende. Es kommt nicht. Das ist Glück. Barenboim lässt die Hälfte aller Musiker aufstehen.
Es war eine der längsten Applause, die ich in der Philharmonie erlebt habe. Im Herbst 2007 dann Bruckners Siebte.
Kritik Daniel Barenboim Staatskapelle: stellenweise unverbesserbar