Ohne Corona hätte ich heute Unter den Linden Barenboim mit Tannhäuser gesehen. Aber die Zeiten sind andere, ich gehe ein paar Hundert Meter weiter in die Oranienburger Straße und höre Mark Kagan (Violin) und Stefano Cucuzzella (Cello). Vier Duos, Kodály, Martinů, Honegger, Ravel. Das Programm kreist um Spielarten der frühen Moderne.

Die beiden jungen Musiker packen das fein und sicher an. Kagan holt da einen konzentrierten, großen, lakonischen, bronzenen (russischen, wenn man will) Ton heraus, setzt ein wohltuend sparsames Vibrato, die Höhe kann diamanten strahlen: Virtuosität, durch herben Formsinn gezügelt. Cucuzzella am Cello fügt Temperament und Leidenschaft hinzu. Die zwei füllen Kodálys ungarisch gefärbtes Duo op. 7 (1914) mit Energie und echtem Ton, Cucuzzella spielt in Martinůs Duo für Violine und Cello eine feuerspeiende Kadenz.

Ich bin zum ersten mal in der Neuen Synagoge zum Konzert. Vor dem Eingang die üblichen Polizisten, der Besuch geht scheinbar nur mit Anmeldung, im Aufzug in den dritten Stock, der Saal mit später Postmoderne an der Decke, aber die nackten Gewölbeansätze sind noch zu sehen, zerstört nicht in der Progromnacht 1938, sondern 1943 durch Bomben.

Unnötig zu sagen, dass das Programm hochinteressant und zutiefst unterhaltsam ist. Pflicht- und Aufwärmstücke schenken sich Kagan und Cucuzzella.

Nach kurzem Päuschen – es stehen Weintrauben bereit – folgt die Sonatine pour violon et violoncelle von Honegger (1932), deren Ton ist reduzierter, das kadenzartige Solo des Cellos unmittelbar aufregend. Kagan entdeckt herbe Linien und Zusammenhänge. Unter dem Zugriff der Musiker wird auch Ravels meisterhafte Sonate en quatre parties (1922) zum Spätwerk, in dem sich die Stimmen wunderfein verzahnen, und doch hören die Zuhörer auch hier ungarischen Pfeffer. Ein Genuss die an Bartók gemahnende Pizzicato-Landschaft des Scherzos.