Brittens sprödes Lebensabschiedsopus Death in Venice feiert Wiederaufnahme an der Deutschen Oper. Zu mehr als einem zwiespältigen Eindruck reichen Regie (Graham Vick) und musikalische Aufführung nicht, da kann die Bühne in noch so suggestivem Leuchtstiftgelbgrün strahlen (Stuart Nunn).
Denn tapfer versagt der Regisseur den 17 Szenen von Brittens Thomas-Mann-Oper jedes Fin de siècle. Stattdessen lagern hinten rechts Claes-Oldenberg-riesige Vanitas-Tulpen. Warum auch nicht? Aber die Cholera-lauernde, Individuum und Geist tödlich bedrohende Schwüle will sich partout nicht einstellen. Peinlich oder bieder, je nachdem, fügen sich die Räkelspiele der Knaben – eine mäßig unterhaltsame Truppe von leichtbekleideten Bengeln – in die kühle Inszenierung, die es sich überhaupt etwas leicht macht. Tadzios flache Brust (Rauand Taleb nicht mehr ganz unschuldig) sehe ich etwas zu oft. Auch die Magerkeit der Musik reißt mich an diesem Abend nicht hin.
Und daran ändert auch der fabelhafte, hoch aufgeschossene und gefährlich schlanke Tenorheros Ian Bostridge als zivilisationsmüder, bitter gequälter, zaudernder Aschenbach wenig. Seth Carico verkörpert schauspielerisch durchaus prall die schmierigen Mephisto-Typen (u. a. Gondoliere, Hotelier). Dessen Widerpart als Apollo gibt Tai Oney countertenorbewusst.
Musikalisch am spannendsten ziehen sich die kniffeligen Ensembles – prego hier, signore da – aus der Affäre, wo munter ausgetestet wird, wie an die zwanzig großartige Solostimmen im Chor klingen. Irene Roberts (wer war denn die deutsche Mutter? Wie schön waren die Contes d’Hoffmann!) erkenne ich nicht, Timothy Newton als scharwenzelnden Kellner aber sehr wohl, auch Flurina Stucki als babuschkafeine russische Mutter und Alexandra Hutton als überdrehte Erdbeerverkäuferin. Eine Augenweide ist die würdevolle polnische Mutter (Schauspielerin Lena Natus – die Haltung!), irgendwie süß sind auch ihre trippelnden Töchter (Mimi Nowatzki, Ebru Dilber).
Markus Stenz am Pult liefert allenfalls mittlere Britten-Ware.
Foto: Markus Lieberenz
Weitere Besprechung der Wiederaufnahme: Seelenleben der Hauptfigur (Hundert11).
Premierenkritik von 2017: szenische Wiederholungseinfallslosigkeit (Manuel Brug)
Oh,
dann das also auch nicht, wollte eigentlich, aber so dann doch nicht. Hatte es so gar nicht mehr in Erinnerung
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Gehen Sie ruhig. Der Bostridge lohnt den Besuch. Ich tu mir immer schwer mit Britten. In dieser Oper wird für meinen Geschmack zu wenig gesungen. Weiß nun gar nicht, ob ich in die Britten-Premiere im Januar soll. Midsummer Nights Dream fand ich damals an der Komischen Oper eigentlich interessant. Mal schauen.
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Nö, jetzt bin ich bockig, und will nicht, :)))
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Ich fand die Abwesenheit von fin de siècle-Plunder eigentlich ganz gut. Bei dem dauernden „Knaben“-Gehüpfe stimme ich zu, das ist natürlich auch gewissen Längen und Wiederholungen des Werks geschuldet. Bostridge für mich umwerfend, er allein lohnt schon den Besuch.
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Ja ja immer rauf aufs Schlimme, na mal schauen….
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