
Diese Madama Butterfly ist anders.
Oksana Dyka ist groß und knochig. Dyka überragt den Pinkerton ebenso wie ihren (einzigen) Freund, den Konsul. Diese Madama Butterfly ist keine Farfalletta, kein süßer Schmetterling. In einem Ehestreit trüge nicht sie, sondern der US-Boy die blauen Flecken davon.
Oksana Dyka, das ist ein Sopran wie ein Traktor. Eine Butterfly mit dem Herz einer Tosca. Unmöglich, dass eine Madama Butterfly mit dieser Stimme noch Jungfrau ist.
Zwar senkt Oksana Dyka ihren Sopran auch zum Zarten, zum Innigen ab. Aber ihr Organ klingt dann mühevoll runtergedimmt. So kommt der Beginn ihrer großen Arie „Un bel dì vedremo“ (Akt 2) nicht in die Gänge, fließt zäh, wo stimmlich feiner Gesponnenes angemessener wäre. Was an ihrer Stimme gefällt, immense Kraft, großes Volumen, Feuer und Farbe, was ihr also ihre Auftritte an der Met, in Wien sichert, das wird regelmäßig bedroht von den Unstetigkeiten (etwas unschön gesagt, den Schlaglöchern) in ihrer Vokallinie.
Nüchtern gesehen ist Puccinis Meisterührstück die Geschichte von zweien, die sich zu jung verlieben. Und ein Manko noch aller Butterflys ist gewesen, dass in der Finalszene Pinkertons Reuejammer vor Butterflys Tod zu leicht wiegt. Wenn Teodor Ilincăi „quel diavolo“ Pinkerton mit junger Tenorstimme singt, dann fallen vor allem die schallstark fokussierte Höhe auf, auf die Jonas Kaufmann in seiner aktuellen Verfassung mehr als neidisch sein dürfte, aber auch die schön geführte Halbstimme. Der Gesangslinie (und Puccini schrieb für die Butterfly Gesangslinien von unverschämt jugendlicher Liebestrunkenheit) fehlt noch ein bisserl das Finish, und Ilincăis Tenor ein bisserl der herzschmelzende Charme.
Es ist eine Repertoire-Butterfly an einem Wochentag im März. Sie ist nicht ausverkauft, aber ansprechend gefüllt.
Der Konsul von Alfredo Daza trägt hellen Kolonialanzug, wird von düsteren Vorahnungen hinsichtlich des Schicksals der Cio-Cio-San heimgesucht, ein Mann, der schon einiges gesehen hat im Leben, die fesche Tolle zeigt graue Strähnen, und Alfredo Daza spielt und singt das, als wisse er, dass der Konsul das schlechte Gewissen des Pinkerton verkörpere, spielt das whiskyschlürfend und singt das mit emotional vibrierendem Bariton. Eine Augenweide. Die von einer unbarmherzigen Regie zu ununterbrochenem Händeringen verdonnerte Katharina Kammerloher schlüpft in die Rolle der treuen Dienerin Suzuki. Der umtriebige Goro (ein typischer Spieltenor) findet in Michael Smallwood seinen fixen Meister.
Folgen die Sänger mit kürzeren Auftritten.
Als Yamadori macht Arttu Kataja nicht den Eindruck, als müsste Butterfly ihn unbesehen ablehnen. Der bedrohliche Bonzo kommt vom kraftvollen Tapani Plathan (der ist Finne wie Kataja), Kommissar ist David Oštrek und die US-Gattin Kate singt die immer wieder interessante Natalia Skrycka. Wenn Frau Skrycka (aus der Ecke Kattowitz) zwecks Erhalt von Stimmfarbe und Klangfrische fürs Erste darauf verzichtet, Amneris, Eboli und Brangäne zu singen, dann wird es ein großes Vergnügen zu sein, sie in drei, acht, zwanzig Jahren singen zu hören.
Am Pult steht Eun Sun Kim. Als Hörer habe ich das Gefühl, den Freischwimmer zu machen, so sehr schwimmt die Musik. Nicht weil Eun Sun Kim, die junge Südkoreanerin, die Musiker nicht zusammenhalten kann, sondern weil sei so dirigiert. So klingen besonders die Streicher seltsam knochenlos und herzerweichend (cantando-Stellen), doch nie unangemessen süßlich, vielmehr auf fast naive Weise hochlyrisch. Schwung hat das Allegro-Vorspiel mit schönen Fortissimo-Stimmeinsätzen. Wo die Musik auftrumpft, neigt Kim zum unkontrollierten Dröhnen. Naja, das dürfen junge Dirigenten.