Marek Janowski und das RSB mit Richard Strauss und Sergei Rachmaninow.

Strauss und Rachmaninow (Richard mit Schnauzer, Nase und Mund bei Sergei wie aus Marmor gehauen) gehen sich auf dem Konzertpodium meist aus dem Weg. Heute nicht. Von Schnauzer-Richard kommen heute zwei Nebenwerke. Von Marmor-Sergei kommt das pièce de résistance. Die Werkauswahl bzw. die dahinter stehenden Fragen lösen sich zwar nicht restlos in Erkenntnis auf, was dem Faszinosum dieser Werkkopplung schlussendlich aber keinen Abbruch tut.

Sowohl die vier Stücke aus Intermezzo (1924) als auch Josephs Legende (1914/1947) sind echter Strauss. Genetisch ist das irgendwo zwischen sinfonischer Dichtung und musikalischem Schwank zu verorten. Sowohl Intermezzo wie Josephs Legende sind erfüllt von jener suggestiven sinfonischen Redseligkeit, die Strauss auszeichnet, überdies thematisch liiert durchs Motiv des erotischen Abenteuers und zart ummantelt von herrlichstem Orchestrierungs-Zinnober, zu allem Überfluss auch noch so leichtsinnig wie weitschweifig komponiert.

Also genau das, was Strauss am besten konnte, und es klingt, wie es Marek Janowski am liebsten dirigiert: dem großen Ganzen verpflichtet, unerbittlich klar, Überblick und Temperament aneinander ausrichtend, Feuer und Überbau eifrig befördernd. RSB at its best.

Das war vor der Pause.

Schön, dass Anna Vinnitskaya nach der Pause spielt. Das gibt dem merkwürdig suggestiven Klavierkonzert Nr. 2 von Rachmaninow Hauptwerkstatus. Die Russin gibt dem Werk wilden Glanz. Vor drei Jahren spielte Vinnitskaya Brahms‘ Erstes. Das gefiel mir damals nicht. Auch heute tue ich mir, ich gestehe es, mit Vinnitskaya schwer. Über ihre enorme Technik braucht man nicht zu reden. Doch ihre Akkorde haben wenig zusammenfassende Energie. Im Anschlag lebt zu viel Impressionistisches, arg Optimistisches, Vinnitskaya scheint da öfters, als gut tut, über Ausdrucksmöglichkeiten leichtfertig hinwegzugehen. Federleicht wenn nötig der Klavierton. Tragik fehlt. Das ist mein Hauptkritikpunkt.

Und das liegt nicht nur an Janowskis Höllentempo – ein bissl aber schon. Und Janowski? Janowski strafft, eilt, ist in Prozesse und leichtsinnige Entwicklungen verstrickt. Vor allem eilt er.

Die Streicher des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin klingen im zweiten Satz so herbstig-goldig, ja, man wagts kaum zu sagen, schlawinerhaft gelöst. Aber ich bleibe dabei. Janowskis wahrhaft außerordentliche Rachmaninow-Sinfonie Nr. 2 im Sommer fand ich schlüssiger.

Vinnitskayas Zugabe: April aus Tschaikowskys Jahreszeiten.

Im derzeitigen Berliner Herbst ist Janowski beim RSB so präsent und prägend wie zu besten Chef-Zeiten.