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Die Staatskapelle Berlin unter Paavo Järvi.
Dieser Beethoven klingt wie Schwarz-Weiß: heroisch-lyrisch, laut-leise- mehr gibt’s bei Järvi nicht. Das ist Positivismus, langweilig wie Wassersuppe. Simplifizierung. Punkt. Es stört noch mehr: ein undifferenziertes c-Moll-Forte etwa. Rhythmik und Phrasierung fehlen Wärme.

Eine andere Hausnummer ist Radu Lupu. Er spielt das Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll leise. Er spielt es undramatisch. Die Rechte erreicht nur ein mäßiges Forte. Mehr will Lupu heute Abend nicht. Järvis Simplifizierung will er schon gar nicht. Lupu will Anti-Heroik. Der erste Satz, Allegro con brio, gelingt stark im Leisen, reich, beseelt.
Überhaupt scheint Lupu eine neue Musikerspezies zu schaffen: die des ko-dirigierenden Pianisten. Wiederholt senkt Lupu dezent die pausierende Rechte als Anregung für’s Orchester, a ganz gloas bissal leiser zu spielen. Auch bei Einsätzen des Orchesters regt sich Lupus Linke. Und Järvi gibt sich doch schon wahrlich genug Mühe, ein pianissimo nicht wie ein mezzoforte klingen zu lassen! Aber wie Lupu die espressivo-Takte der Kadenz hinlegt, zugleich rhapsodisch frei und mit sicherstem Gefühl für Phrasierung, das spielt doch heute kaum einer so selbstverständlich aus.
Am offensichtlichsten ist der Lupu-Bonus im E-Dur-Largo. Verinnerlichung zieht Lupu nicht an den Haaren herbei, es kommt aus dem leuchtenden Ton, aus seinem Stilgefühl, aus der Diskretion der Dynamik. Die faszinierende objektive Ruhe, die sich noch in den wogenden Sextolen des Mittelteils mitteilt, ist schlichtweg erstklassig. Das Finale dann legt Lupu spielerisch an.
Die Statur, der Bart, die Mähne – seit einiger Zeit ja sieht Lupu aus wie Brahms am Flügel auf der Zeichnung von Beckerath. Ich hätte Lupu einen flexibleren Partner gewünscht.
Die Streicherbesetzung bei Beethoven: 14 erste Geigen, 12 zweite, 10 Bratschen, 8 Celli, 6 Bässe.
Die finstere Sinfonie Nr. 7 Schostakowitschs dirigiert Järvi als endlos scheinende Abfolge von Trauer-Rezitativen und weiträumig vorbereiteten Ausbrüchen.
Orchesteraufstellung: 1. Violinen, Celli, Bratschen, 2. Violinen. Kontrabässe hinten links. Harfen rechts.
Beim Beethoven hatte ich die Vision Järvi, Lupu und die Staatskapelle seien eher Eckpunkte in einem gleichschenkligen Dreieck als auf einer Linie liegend.
Warum auch immer.
Vielleicht, weil es so war?
Der Leningrader haben sie ein Sätzchen gegönnt. Gönnen Sie mir … ein paar mehr.
Ich fands brav, aber in sich stimmig.
Harmonische Schärfen unterbetont (va. Blech; aber auch die Holzbläser vor dem Finale, wo es manchmal hysterisch zugeht – selbst das brav ), dafür mehr mit der Dynamik gespielt.
Invasions-Bolero zB. bis zu den Posaunen sehr dezent und zurückhaltend. Schüchterne Flöten usw. Das war erst mal keine Invasion, sondern ein sich Heranschleichen.
Ähnlich bei der Beschleunigung im 3. Satz. Lange zurückgehalten, dann Quantensprung.
So ein bisschen die Bruckner-Regel: Nicht zu früh zu viel, sonst wirds hinten eng.
Tempo gefiel, va. der Kontrast in den Ecksätzen.
Hatte seinen Effekt. Würde ich als Aufnahme nicht oft hören, da mag ich es schärfer.
Aber als Live-Erlebnis fand ich es eine bereichernde Interpretation.
Ich habe keine Ahnung, ob mein Eindruck mehr ist als mein Eindruck, denn ich habe zwar Meinung aber keine Ahnung. Wobei: subjektiv ist in diesem Bereich mehr oder weniger alles.
Fagott hatte übrigens einen angenehmeren Abend am Dienstag.
Freute mich fürs Fagott!
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Ja, Tempo bei Schostakowitsch war OK.
„angenehmeren Abend am Dienstag“ – zwei Mal gehört? Das behalte ich mir dann doch für die Gelegenheiten vor, wenn Barenboim am Pult steht. P. Järvi hat mir vor 3, 4 Jahren mit den Philharmonikern schon eher mäßig gefallen (Beethoven 1.).
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Ja, war beide male da.
Bei Schostakowitsch nutz ich fast jede Gelegenheit, mag den Kerl.
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@Bei Schostakowitsch nutz ich fast jede Gelegenheit
:-) Mit den explizit sowjetischen Symphonien (besonders 7, 11, 12) habe ich manchmal Probleme, muss ich gestehen. Meine Lieblinge sind 1-4 und 15, und auf 13 und 14 muss ich Lust haben. Die 13. mit Nézet-Séguin und den Philharmonikern war allerdings ein Schmankerl.
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