Was würde Luigi Nono dazu sagen?

Al gran sole carico d'amore // Foto: Monika Rittershaus / staatsoper-berlin.de
Finden Sie die Sängerin in 10 Sekunden! Al gran sole carico d’amore // Foto: Monika Rittershaus / staatsoper-berlin.de

Die Inszenierung von Al gran sole carico d’amore, die im Kraftwerk Mitte an der Köpenicker Straße gezeigt wird, gibt Rätsel auf.

Warum lässt Katie Mitchell einen Film drehen, dessen Projektion in Bombasto-Größe Nonos Musik zur Nebensache macht? Warum zum Teufel trabt während der gesamten Aufführung ein Kamera-Team in Divisionsstärke durch die Kulissen und filmt Schauspielerinnen in Übergröße, die keinen Pieps singen?

Was da alles im Bühnenhintergrund weit hinter den Sängern und weit hinter dem Orchester passiert, es interessiert mich nicht. Warum es passiert, ich weiß es nicht. Warum ich zu der Zeile „Jeden Morgen heult die Sirene“ einen Kartoffelsuppe in Großaufnahme sehe, ich weiß es auch nicht. Fest steht nur, dass ich von den Sängerinnen nichts sehe und irgendwann auch nichts mehr höre, weil ich immerzu irgendwelchen Kommunistinnen in den Suppentopf sehe. Gemessen an der Qualität von Katie Mitchells Film hätte jede noch so peinliche ZDF-Geschichts-Doku bereits vor ihrem Erscheinen den Goldenen Bären sicher. Ästhetisch nur halbwegs empfindsamen Zuhörern bleibt angesichts der durchdringenden Peinlichkeit der Mitchell’schen Dauerbefilmung nur übrig, die Waffen zu strecken und zu dem nie für möglich gehaltenen Schluss zu kommen, dass das Musikantenstadl richtiggehende kulturelle Werte verkörpert. Die Sängerinnen (mit Präzision Elin Rombo, Silke Evers, Virpi Räisänen, Tanja Andrijic, Hendrickje Van Kerckhove und Susan Bickley) dürfen hin und wieder einen Schritt nach links oder rechts machen – eine ungewöhnlich kühne Inszenierungstat für eine Oper.

Hart ist das Leben, besonders für Besucher von Al gran sole carico d'amore // Foto: Monika Rittershaus / staatsoper-berlin.de
Hart ist das Leben – aber auch für Besucher von Al gran sole carico d’amore // Foto: Monika Rittershaus / staatsoper-berlin.de

Die Inszenierung ist tödlich langweilig. Bislang dachte man immer, der Gipfel der Bühnengurkerei wäre bei der Staatsoper bei Annegret Ritzel (Norma) und Lindsey Hume (Bohème) zu erleben. Jetzt hat Katie Mitchell ihn erklommen und wird diese Position aller Aussicht nach die nächsten zehn Jahre beibehalten. Bei Katie Mitchell steigert sich ein diffuses ästhetisches Unbehagen, wie man es bei schlechten Inszenierungen erlebt, zu körperlichem Unwohlsein, wie man es bei sehr schlechten Inszenierungen erlebt.

Luigi Nonos Musik ist in Würde gereift und hat an Klarheit gewonnen. Das Pathos von Al gran sole carico d’amore wirkt noch. Schärfe und Ausdruck der Musik ziehen noch. Nur die Zitate von Fidel Castro sollte man mit einem lauten und fröhlichen „Helau“ kommentieren. Ingo Metzmacher leitet sicher und erfolgreich.

Jürgen Flimm tummelt sich in der Pause. Der Aufführungsort hat Berliner Chic, was zu Al gran sole carico d’amore ungefähr so passt wie Bruckner zum Berghain.

Kritik Al gran sole carico d’amore: Ach Jottchen, nee.