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Berliner Philharmoniker Tugan Sokhiev: Roussel Bacchus et Ariane Nr. 1, Liszt Klavierkonzert Nr. 1, Rachmaninow Symphonische Tänze, Berio Sequenza VI. Boris Berezovsky (Klavier) & Amihai Grosz (Bratsche)

In der Pause sehe ich jemanden, den ich kenne. Wir unterhalten uns. Wir tauschen uns über die kommenden Konzerte aus. Metha finde ich gut. Er nicht. Thielemann findet er gut, ich nicht. Nelsons finden wir beide gut. Zu Tugan Sokhiev haben wir noch keine Meinung. Dann reden wir über Berezovsky.

Berezovskys Einstieg ins Liszt-Konzert fand ich grässlich. Als Berezovsky das erste Mal ganz rechts auf den Tasten angekommen war, schien mir dieses Klavierkonzert schon hoffnungslos havariert. Mein Bekannter wiegte mit dem Kopf, dann sagte er, das sehe er nicht so. Berezovskys Rechte fand ich entzückend. Er auch. Berezovskys Fortissimo fand ich teilweise indiskutabel. Mein Bekannter nicht. Berezovskys klitzekleine Zugabe fand ich entzückend. Mein Bekannter fand sie schrecklich. Da, muss ich sagen, lag mein Bekannter falsch. Der helle Anschlag, der durchtriebene Glöckchenklang und vor allem die souverän verschwimmende Struktur des Ganzen waren höchste Klavierkunst.

Es wäre ein exzellentes Programm gewesen, wenn Strawinsky oder Bartók den Abschluss gemacht hätten und nicht Rachmaninows späte, irgendwie schlecht instrumentierte und überdies noch tänzerische, an diesem Abend zudem denkbar unzärtliche „Symphonischen Tänze“. In besonders kreativen Momenten stelle ich mir vor, wie diese Tänze wie Jane Birkin und Serge Gainsbourg in, na Sie wissen schon… klingen.

Nach dem Konzert setzten wir unser Gespräch fort. Rachmaninows Tänze fand ich äußerst langweilig. Mein Bekannter auch. Zu Tugan Sokhiev hatten wir immer noch keine Meinung. Amihai Grosz rettete den Abend. Er spielte Berios Sequenza VI. Eines der Pils, das wir nach dem Konzert tranken, tranken wir auf Grosz. Das Liszt-Klavierkonzert spielte die Staatskapelle unter Boulez und mit Barenboim vor einiger Zeit wahrhaftiger und packender. Die „vielfältigen Qualitäten“ Sokhievs, die die Programmvorschau erwähnt, sind schön und gut, nur wüsste ich gerne, worin die eine herausragende Qualität von Sokhiev liegt. Roussel ist ein extrem interessanter Komponist, unter Sokhiev nur ein hinreichend interessanter.

Wir tranken zwei Pils und tauschten noch ein Weilchen Eindrücke aus. Die Geigen schimmerten nicht. Der schlaksige unbekannte Konzertmeister spielte einige Male mit wundervollem Ton. Solène Kermarrec überreichte Amihai Grosz die Blumen. Optisch ist Tugan Sokhiev ein Vergnügen: Er zeigt eine exakt hüpfende Stabspitze sowie eine effektive Zeichengebung. Zu Beginn des Konzerts, vor dem ersten Einsatz, hält Sokhiev den Stab ein paar Momente in der Waagrechten, Daumen und Zeigefinger der Linken fassen die Stabspitze leicht. Das fanden wir beide bemerkenswert. Die Triangel setzte im Liszt-Finale mit einem wunderbaren Piano ein. Die Bratschen hatten bei Rachmaninow eine wunderbar dunkle, drängende Stelle. Ich kam noch mal auf die entzückende Zugabe von Boris Berezovsky zurück.

Dann beschlossen wir, in das anschließende Late-Night-Konzert zu gehen, um die Laune zu heben.

Kritik Tugan Sokhiev Berliner Philharmoniker: mäßig