Schlagwörter
Berliner Philharmoniker Strauss Don Quixote Elgar Sinfonie Nr. 1
Es ist so weit. Überall bereiten sich Weihnachtsmänner auf ihren Auftritt vor, auch in Berlin. Viele sind schon im Verborgenen aktiv. Die Philharmoniker sind sowohl im Verborgenen als auch öffentlich aktiv. Das ist der Vorteil, den die Philharmoniker gegenüber den Weihnachtsmännern Jahr für Jahr in der Vorweihnachtszeit ausspielen.
Donald Runnicles dirigiert an diesem windigen Dezemberabend in der Philharmonie. Er dirigiert äußerst solide, etwas laut, nicht übermäßig subtil und dennoch mit sehr schönen, mitunter prachtvollen Steigerungswirkungen und guter Übersicht. Ich kann mir gut vorstellen, wie Runnicles sein Opernpublikum mit der Kaltblütigkeit eines erfahrenen Hochseeekapitäns durch die gefährlichen Wasser des Ring des Nibelungen lotst. Bei Elgar fallen eine stämmige Linienführung und eine gewisse pragmatische, effektvolle Breite auf. Ich habe seinen Otello an der DOB gehört und war nur halb zufrieden. Heute bin ich mehr als halb zufrieden, wenn auch nicht ganz. Seine kräftige Physis und seine silbernen Haarwuschel hätten Runnicles ohne Zweifel für einen Heldentenor prädestiniert. Und ich kann mir Runnicles ohne weiteres vorstellen, wie er in kanadischen Wäldern Bären und andere unmusikalische Tiere jagt. Als Dirigent ist Runnicles ein Grobian mit Stil. Für ihn spricht, dass er das ganze Orchester erreicht, auch jene Musiker, die hinten sitzen, also Tuba (sehr schöne Stelle), Bässe, Posaunen. Wenn auch, wie angedeutet, die von Runnicles erreichten Wirkungen weder die Hitze noch die Phrasierungs-Subtilität von Rattles Dirigaten erreichen.
Viele Leute, darunter ich, halten Elgar für einen hakennasigen Schnurrbartträger, der unter anderem komponierte. Vielleicht sollte man von ihm doch eher von einem Komponisten sprechen, der unter anderem einen Schnurrbart trug und eine Hakennase hatte. Wenn nicht alles täuscht, gestattete Elgars Sinfonie einen tiefen Blick in die englische Seele. Kollektives Hymnensingen ist auf der Insel eine Herzensangelegenheit, das weiß man auch in Berlin. Für die Kontinentaleuropäer unter den Zuhörern ist es dennoch nicht leicht, die verschiedenen Abarten des Hymnischen, die in Elgars Erster Sinfonie vorkommen, gebührend zu würdigen. So wie es für Engländer und Briten nicht einfach sein mag, Schwarzbrot von Roggenbrot zu unterscheiden oder Pulverschnee von Pappschnee. Aus diesem Grund klingt die eine oder andere eindruchsvolle Stelle wahlweise nach „And you’ll never walk alone“ oder nach „God save the Queen“ oder nach beidem. Lyrische Partien im ersten und vierten Satz zeigten eine sympathische Unschärfe der Streicherbewegungen.
Amihai Grosz (Bratsche) mit schönem Ton und Ludwig Quandt (Cello) mit angemessener Interpretation spielten die Soloparts in Don Quixote.
Kritik Donald Runnicles: nicht schlecht
Bester Blog über das klassische Berliner Konzertleben! Well Done!
LikeLike