Die Dezemberkonzerte der Philharmoniker starten mit drei Abenden, die Dvořák, Lalo und Tschaikowsky offerieren. Sochiew dirigiert.

Zuerst Karneval von Antonín Dvořák, das sind zehn Minuten A-Dur-Ouvertürenüberschwang. 1891 komponiert, kommt das attraktive Stück wenig überraschend als Sonatensatz daher, mit vor der Durchführung eingeschobener Andantino-Vision und einer Reprise ohne Rekapitulation von zweitem und drittem Thema. Im Andantino-Intermezzo die Klarinettenmelodie, das ist doch das Thema aus Dvořáks In der Natur?

Wie schade, dass der Karnevalstrubel handfest robust und der karnevalistische Klang eckig bleiben. Sochiews lärmende Aufgeräumtheit wird leider nicht zum Ausgangspunkt für überschäumenden Esprit oder enorm rabiate Kraft. Ist das nur mittelmäßig oder schon schlecht? Aber wie schön, Dvořáks Karneval zu hören. Das Orchester bremst beim Tempo leicht. Ja, Dvořáks kürzere Orchesterstücke sind immer tschechisch im Ton, immer bezwingend im Melos. Sie werden gespielt, vor allem Othello – zuletzt bei den Berlinern unter Harding und Hrůša – und Karneval, und wenn nicht, dann sei verraten, dass Vanda, Hussiten und In der Natur tschechische Juwelen sind, die auch in Berlin funkeln werden. Bitte spielen!

Bruno Delepelaire Lalo Cellokonzert Berliner Philharmoniker

Auch kleinere französische Werke finden vermehrt den Weg auf Spielpläne, Pulte und Podien. In Berlin in den letzten zwei Jahren: Iberts Flötenkonzert bei Philharmonikern, Iberts Cellokonzert und Divertissement beim Frankreich-affinen DSO, von Saint-Saëns Cello- und Klavierkonzerte bei DSO und RSB, das Violinkonzert wurde dargereicht von der Staatskapelle, Chausson beim DSO, Dukas neulich bei den Philharmonikern. Sogar rare Ouvertüren von Berlioz laufen plötzlich. Der Russe Sochiew hat für dieses Repertoire ohnedies ein Faible. Lange Rede, kurzer Sinn, heute spielt Solo-Cellist Bruno Delepelaire Lalos Cellokonzert.

Das sich bewährt dreisätzig zeigt, aber auf eine separate Orchesterexposition verzichtet. Immer wieder blitzt dezent spanische Farbe auf. Satz 1 überantwortet dem Tutti markiges Liszt-Pathos, während das Cello sich ganz wunderbar solistische Freiheiten erspielt. In Satz 2 kombiniert Lalo witzig Andantino und Scherzo-Presto, und das Finale wird von vier pointierten Fortissimo-Schlägen eröffnet, ganz wie ein halbes Jahrhundert später bei Ravels G-Dur-Konzert.

Und dann spielt Bruno Delepelaire den Solopart – hell, jugendfrisch singend, weich und biegsam, unverstellt warm, die Figurationen Spontaneitäts-durchflossen. In Satz 2 genieße ich ohne jede Übertreibung jede einzelne Note. In Wien, 1883, fand Hanslick Lalo nicht so toll („reich an Blech, arm an Ideen“, Sarasate spielte Symphonie Espagnole). Heute aber: kess die Kastagnettenschläge des Blechs, lustig die Hornfanfaren im Schluss. Ich kenne das Cellokonzert nicht richtig gut, aber Sochiew fand ich auch hier grob (hat er die Haare gefärbt?).

Müller-Schott spielte das Konzert beim DSO kerniger im Ton, aber unsensibler (im Vergleich zu Delepelaire) und eine Spur uninteressant (im Vergleich zu Delepelaire).

Auf den Tschaikowsky (Schwanensee) habe ich keine Lust, wie aktuell auf russische Musik nicht.


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