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Berliner Philharmoniker Semyon Bychkov Strawinsky Symphonies d’instruments à vent Schönberg Verklärte Nacht Schostakowitsch Violinkonzert Nr. 1 (Guy Braunstein)

Oi, oi, oi. Wer ist denn heute Konzertmeister? Ein Hospitant? Der neue Toru Yasunaga? Den schlanken Geiger am ersten Pult habe ich nie zuvor gesehen. Nach der Verklärten Nacht setzt er sich nach dem dritten Applaus wieder. Sein Pultnachbar fasst ihn am Arm. Der Hospitant schnellt in die Höhe und merkt, dass „man“ runter vom Podium will. Ja, bei welchen Heiden weiltest du zu wissen nicht, dass bei den Philharmonikern nach drei Mal Applaus Schluss ist, es sei denn, es gab Bruckner 7 bis 9? Auch sonst seltsame Besetzung. Ein zweiter Violinist, eingeklemmt zwischen Holz und Kontrabass, sieht aus wie Rimbaud zu seiner besten Zeit. Auch noch nie gesehen. Wie neulich bei Gustavo Dudamel wieder eine Frau am Kontrabass – ein untrügliches, wenn auch betrühliches Zeichen dafür, dass nicht der erste Anzug spielt. Solène Kermarrec, für gewöhnlich mutterseelenallein unter Cellisten, wird von zwei Cellistinnen flankiert, eine davon sogar in der ersten Reihe. Man reibt sich die Augen. Ich murmle etwas und schlage die Beine übereinander. Der Blick geht zu Emmanuel Pahud. Puuhh – wenigstens das Einstecktuch ist an Ort und Stelle. Tarkövi? Das ist doch nicht Tarkövi an der Trompete? Und wo ist eigentlich Radek Baborák und wer ist eigentlich der – pssst, es geht los. Ich bekenne, ich höre alles zum ersten Mal. Passiert nicht oft, aber hin und wieder doch. Semyon Bychkov. Älter ist er geworden. Verklärte Nacht dirigiert er ohne Taktstock.

Lange vor einem heftigen Einsatz fängt die Rechte oben rechts in der Höhe an und schlenkert sich in welliger Linie nach links unten. Erst dann kommt der Einsatz der Musiker, die nachzeichnen, was sie soeben gesehen haben. Wie soll man sagen? Verglichen mit der Nähe, die Rattle herzustellen vermag, sitzen die Musiker bei Bychkov in Steglitz und er sitzt in Pankow. Man hört es. Phrasiert wird so a ganz bissl pauschal. Die Stimmgruppen hören weniger aufeinander. Es gibt feine, sehr feine Stellen. Sie sind sogar zahlreich, hin und wieder jedenfalls. Auf Strawinskys Bläsersinfonie war die Vorfreude besonders groß. Ich habe an eine Mischung aus Gran Partita und Agon gedacht. Ganz so ist es nicht gekommen, doch wie gesagt, zum ersten Mal von mir gehört.
Ich sollte Guy Braunstein nicht zwei Tage nach Gidon Kremer hören. Man tut beiden Unrecht, besonders Guy Braunstein. Braunsteins Ton ist schön und rund, doch er entwickelt sich nicht mit dem Fortgang eines Satzes. Dazu kommt ein Vibrato, dem etwas Biss, und Irregularität, abgehen. Braunsteins Spiel ist ein in Schönheit sterbender Schwan. Ich hoffe, dass die gar nicht so schmächtige Janine Jansen mehr Pepp haben wird. Schostakowitschs erstes Violinkonzert ist großartig. Lebhafter Beifall vom Podium nach dem ersten Satz. Emmanuel Pahud ist eine Zeit lang damit beschäftigt, Staub von Hemd und Jackett zu streichen. Was bleibt hängen? Die Pizzicati der Celli, die stürmischen der Geigen. Die trockene Hitze der Steigerungen, Stefan Schweigerts Fagott. Der Blumenstrauß für Braunstein wird von hinten durch die ersten Geigen durchgereicht, bis er bei Kotowa Machida hängen bleibt. Unterdrückte Diskussionen zwischen Machida und Pultnachbarn bezüglich der Übergabe. Will sie nicht?