Musikfest Berlin Berliner Philharmoniker GUSTAVO DUDAMEL Gubaidulina Glorious Percussion Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12
Gustavo Dudamel, Berlin – so richtig hat es noch nicht gezündet. Gubaidulinas Stück für Orchester und umfangreiches Schlagzeug war hörenswert, solange die Philharmoniker mitspielten. Das Stück heißt Glorious Percussion, das Schlagzeugensemble ebenso. Ach, Gubaidulina, den Passagen solistischen oder kollektiven Schlagzeugeinsatzes mangelt es an Ausgegorenheit. Das individuelle Können der fünf Perkussionisten lag meinem Eindruck nach erheblich unter dem der entsprechenden Philharmoniker. Es war gut, als die Pause erreicht war. In der Pause besah ich mir englische Cordjacken, japanische Kimonos und die Büste Furtwänglers. Apropos Chefdirigenten. Schostakowitschs Zwölfte haben weder Karajan, noch Abbado, noch Rattle hier jemals mit den Berlinern dirigiert. Man bekommt nach der Pause eine Vorstellung davon, warum. Das Finale repräsentiert den voll ausgebildeten Sowjetstil in Reinkultur. Am Ende überwiegt das Gefühl, der Revolution von 1917 in voller Länge beigewohnt zu haben. Ein derartiges Maß an unironischer Pompösität zeugt entweder von schlechtem Geschmack oder guten Nerven, und da Schostkowitsch beides nicht hatte, mag man über die Gründe für diesen außergewönlichen Fall sinfonischen Totalitarismus weiterrätseln. Am Donnerstag (übers Radio gehört) patzte das Solohorn. Baborák wars nicht, der war nicht da. Am Samstag lief alles glatt. Die Zwölfte ist sehr interessant, sehr schön, aber nicht jede Saison nötig. Auf dem dichtgedrängten Podium entrollten Konzertbesucher während des Applauses eine venezolanische Landesflagge. Dudamel sollte nächste Saison an Mahler oder Beethoven zeigen, was er kann. Sowohl heuer wie im März mit Prokofjews Fünfter konnte man ehrlich interessiert, aber kaum vor Bewunderung aus dem Häuschen sein. Dabei war Dudamels Dirigat des Don Giovanni in der Staatsoper nichts anders als bewunderungswürdig, seine Bohème am gleichen Ort wirkte jung und stürmisch. Eigentlich gibt es das ja nicht, aber die Philharmoniker waren nur in der zweitbesten aller besten Besetzungen da. Nicht ausverkauft. Tage später dachte ich dann doch: Der Schostakowitsch war ziemlich gut.
(23. 9. 9)