Simon Boccanegra ist je nach Zählung Verdis 21. Oper, wenn man die erste Fassung von 1857, und Verdis 27., wenn man die zweite von 1881 meint. Auf jeden Fall ist Simon Boccanegra eines von Verdis Opernschmerzenskindern. Die Geschichte aus dem mittelalterlichen Genua ist düster, das Textbuch stammt von Piave, der für Verdi auch Rigoletto und Traviata schrieb. Die Uraufführung in Venedig wurde ein Fiasko. Ein Vierteljahrhundert später machte sich Verdi mit Otello-Librettist Boito an eine Überarbeitung. Aber auch in der 1881er-Fassung, zehn Jahre nach Aida, sind Arien und Cabaletten rar, bleibt der finstere Prolog, stehen vier große Männerrollen gegen die prima donna. Die Solonummern sind Gift für jedes Wunschkonzertprogramm. Berühmt sind die Meeresschilderungen im 1. und 3. Akt, die Jader Bignamini mit viel Gefühl aus dem Orchester der Deutschen Oper hervorlockt.
Auf das Meer verzichetet der russische Regisseur Vasily Barkhatov ganz.
Dafür sieht der Zuschauer in aller Ausführlichkeit den für Freund und Feind tödlichen Politbetrieb. Die geschickt eingesetzte Drehbühne zeigt holzgetäfelte Machträume der Berliner Republik. Aber warm ist hier nur der Holzton. Denn es herrscht kalte Betriebsamkeit, Stehmikros, Personenschutz, das Kamerateam, kundig dirigiert von der PR-Dame. Barkhatov präsentiert seinen Boccanegra (den Edelbariton George Petean), flankiert von Regalmetern und Sitzgelegenheiten, als Staatslenker, nie als liebenden Vater. Diese Inszenierung konzentriert sich auf die Mechanismen der Macht, die inneren Dramen überlässt Barkhatov Verdis Musik. Das ist ein Manko. Hausmädchen (Kellnerrock, Schürze, Bluse) schweben stummen Geistern gleich durchs Palastzimmer. Sehr faszinierend, sehr bildfixiert.
