Hört man Daphne ein zweites Mal, kann man das Opernspätwerk fast mögen.

Daphne ist wie Tosca, nur ohne Sex. Die Oper, Einakter, durchkomponiert, handelt von einer tödlichen Dreier-Beziehung. Daphne steht zwischen zwei Tenören, einem lyrischen, Leukippos und einem heldischen, dem Gott Apoll.

Ist es Zufall, dass die Neuproduktion an der Staatsoper Unter den Linden das Uraufführungsjahr 1938 links liegen lässt? Stattdessen zeigt Romeo Castellucci die Hirtenoper als zeitgeistig mit Polar-Design aufgehübschten Antikenkitsch, edle Mäntel, nackte Schenkel, endzeitlich eingeschneit, inklusive Schreittanz der eingemummelten Balletteusen.

Gewöhnungsbedürftig ist auch die Bäume umarmende Titelheldin, deren Poesiebuch-zarte Monologe Vera-Lotte Boecker technisch 1a und wunderbar tonhöhentreu hinlegt, aber die hier nötige Stimme und Ausdruck vermissen lässt. Viel Backfisch, wenig Frau. Merbeth konnte das einmal singen. Für den Leukippos des Linard Vrielink springt wieder der tonschön lyrisch, aber schmalstimmig gestaltende Magnus Dietrich vom Opernstudio ein. Stocksteif und gipsig (Castellucci…) geht der Apoll vor, um sein heißes Liebesverlangen zu stillen, dem Pavel Černochs zwar packendes Timbre, aber kein Tenoraplomb gibt. René Pape hat für den Vater die weiche Wucht der Bassstimme, Anna Kissjudit für die besorgte Mutter, deren Zänkerei an die Walküre-Fricka erinnert, Volumen, aber wenig Textdeutung.

Gekicher brandet im Rang auf, als die Bühnenmaschinerie das schüttere Birkchen in die Höhe lupft. Was das bedeutet?

Richard Strauss 1936: „Ließe sich Daphne nicht dahin deuten, daß sie die menschliche Verkörperung der Natur selbst darstellt, die von den beiden Gottheiten Apoll und Dionysos, den Elementen des Künstlerischen, berührt wird, die sie ahnt, aber nicht begreift und die erst durch den Tod zum Symbol des ewigen Kunstwerks: dem vollkommenen Lorbeer wiederaufstehen kann?“

Zwischen kammermusikalischem Stimmengefädel und hart ausgeleuchtetem Tutti lässt Dirigent Thomas Guggeis die Staatskapelle aufspielen. Und zeigt, wie polyphon der Komponist dachte. Strauss‘ Musik hat Elan, Wärme, Durchsichtigkeit, sonore Fanfarenformeln (das Blech – fast – impekkabel), feinnerviges Bläsertextil.

Die zwei plauderhaften Mägde (Evelin Novak, Natalia Skrycka) raten Leukippos zur todbringenden Verkleidung, in der er sich unter die Tänzerinnen mischt, bis Apoll, eifersüchtig, ihn enttarnt und tötet. Ihr kleines Gerangel im Schnee ist die spannendste Szene. Die Schäfer als echte Polarkerle, Arttu Kataja, Florian Hoffmann, Roman Trekel, Friedrich Hamel.


Weitere Berichte: „Klimageschockt“ (Manuel Brug), „Evidenz der ewigen Schneemetapher“ (Eleonore Büning)