Juliane Banse singt! Ihr Recital ist eine runde Sache. Von den Brahmsliedern gefallen mir Sapphische Ode (Singen nah am Wortsinn), Dein blaues Auge (Ausdruck) und das selten zu hörende Unbewegte laue Luft aus den Daumer-Liedern besonders – ihre Stimme ist ja keine der Brillanz, sondern eine des dem Text dienenden Klangs. Und Auf dem Kirchhofe? Nicht zu viel subjektive Versenkung, kein Over-Acting bei der Deklamation. Der Reiz von Brahms‘ (sentimentalen? kitschigen?) Hölty-Vertonungen entgeht mir regelmäßig. Die Stimme? Nicht mehr blutjung, aber über die gesamte Skala von aufregend echtem Klang.

Auf Debussys späte Mallarmé-Lieder folgen Faurés fünf venezianische mélodies. Wenn man nur wüsste, wie die weit ausschwingenden Melodien bei Fauré funktionieren. Ich behalte keine einzige, ungeachtet ihrer unmittelbar einleuchtenden Schönheit. Banse macht das à l’allemande, so singt die aus Tettnang gebürtige Sängerin mit spannungserzeugender Deklamation, mit Nachdruck, interpretatorischer Aufrichtigkeit, Wärme, ohne den Anschein von Geschmeidigkeit zu wecken.

Bei den Vier ernsten Gesängen von Brahms scheut sie die vibratoreiche Höhe nicht. Hört man Opus 121 zu oft? O Tod, wie bitter singt Banse am besten.

Am Flügel nimmt Marcelo Amaral ein durch rundes, tempomäßig angenehm ausgeruhtes Spiel.

Fast hätte ich Caplets 1919 entstandene Fabel-Vertonungen von Fontaine vergessen, das sind effektvolle, mit Tonmalerien unterfütterte Tierporträts, die schon ganz den pathos-fernen Zwanzigern gehören.

Ich erwische mich bei dem Gedanken, dass ich eines der eindrucksvollsten Berliner Recitals seit zwei Jahren höre.

Als Zugabe die traurige Trennung von Brahms, verhalten und genau gesungen.