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Ein kurzer Abend in der Philharmonie. Das Programm verzichtet auf Sinfonien und Konzerte. Pas de symphonies, Mesdames.

Die zwei Stücke Ravels (Une barque sur l’Océan und Alborada del gracioso) sind beide Bearbeitungen des Originals für Klavier von der Hand des Komponisten. Die Barque steht als schwebendes Nichts an der Grenze zur Formlosigkeit, die Alborada erklingt als traumhaft sicher gefasste Folklore. Die Berliner Philharmoniker spielen Letzteres weniger delikat, dafür farbiger als unter Simon Rattle beim Silvesterkonzert 2011.

Von Henri Duparc erklingen L’Invitation au voyage (nach Baudelaire), Au Pays où se fait la guerre (nach Gautier), die geheimnisvolle Vision La Vie antérieure (nach Baudelaire) mit dem kurzen Anklang an Berlioz‘ Spectre de la rose in den beiden Höhepunkten sowie das frühe, intime Chanson triste (nach Lahor), vielleicht Duparcs bekannteste Komposition.

Für die Lieder findet Véronique Gens (Sopran) einen reinen, individuellen Ton. Sie singt sicher und klischeefrei, findet geschmackssicher die Mitte zwischen fließendem Klang und kluger Textdeutlichkeit. Bezaubernd der sicher gefasste Ausdruck im abschließenden Chanson triste, avec un sentiment tendre et triste – ganz so, wie die Partitur es vorschreibt.

Véronique Gens‘ Singen ist illuminierendes Sprechen.

Scheinbar hat ihr Sopran an gläserner Helligkeit etwas verloren, dafür an Farbe und Ausdruck gewonnen. Auch Wärme ist hinzugekommen.

Nach der Pause folgen zwei Orchesterwerke russischer Herkunft.

In Mussorgskis Johannisnacht auf dem kahlen Berge (1867) klingen die rhythmische Wucht des Troubadour – der Azucena-Szenen – ebenso an wie die extrovertierte Bravour von Liszts Mazeppa und Berlioz‘ Damnation. Pappano arbeitet das ungehobelte Drängen der Partitur heraus. In ihr schlägt unbedingte Originalität durch. Berühmt sind die kühnen Ganztonfolgen. Pappano dirigiert mit Temperament.

Während man sich die Johannisnacht noch düsterer vorstellen konnte, gelingt Skrjabins Poème de l’extase rundweg. Antonio Pappano, der Herrscher von Covent Garden, bringt Skrjabins Einsätzer im Tempo frei fließend und mit sicherem Händchen bei der Realisierung der dynamischen Wellen. So beugt Pappano der Verdickung des Klangs durch den massiven Apparat vor. Und siehe, die harmonische Faktur klingt frisch, das Poème strahlt lockere Selbstverständlichkeit aus, auch im symbolistischen Trompeten-Motto, Skrjabins „Thema der Selbstbehauptung“, das Gábor Tarkövi quasi pausenlos und anmutig bläst.