Elisabeth Leonskaja, eine allürenfreie, unspektakulär gekleidete Klavierspielerin im besten Alter, spielte im Konzerthaus. Der Schubert-Abend reiht sich wie zufällig in eine kleinere Zahl von Schubert-Aktivitäten ein. Uchida spielt Schubert im Februar, Barenboim spielt mehrmals in dieser Saison Schubert. Frau Leonskaja sieht aus, als würde sie lieber Tee als Kaffee trinken und außerdem liebend gerne mit gedämpfter Stimme über Dichter und Philosophen plaudern.
Ihr Spiel auf dem Steinway klingt natürlich und Schubert angemessen. Die wenigen Ausbrüche bei Schubert kommen hollernd, etwas maßlos und deswegen womöglich richtig. Ihr Spiel ist am überzeugendsten, wenn Viertel auf Viertel folgt, Achtel auf Achtel, und sonst kaum was passiert. Die Kopfsätze könnte man umsichtiger, architektonischer konstruieren, aber das ist nicht nur eine Qualitäts-, sondern auch eine Stilfrage. Langsame und Tanz-Sätze gelingen über die Maßen, auch für die Schlusssätze hat Leonskaja eine milde Souveränität. Das Schleppende, das manches Mal sehr umfassende Rubato mag je nach Geschmack und Sozialisation der Zuhörer unterschiedlich wirken. Einige wenige Vergreifer an nicht ganz so komplizierten Stellen. Der spezifische Klang, den die Finger aus dem Steinway holen, ist schon ein Besuch wert und garantierte unter anderem die Qualität des Abends. Auf dem rückwärtigen Balkon lässt ein Zuhörer seinen Kopf wie das Pendel eines Hypnotiseurs hin- und her und hoch- und runterschwanken. Leute, die gerne weniger zahlen und dennoch auf besseren Sitzen Platz nehmen, konnten heute aufgrund einiger nicht verkaufter Plätze ohne viel Mühe „upgraden“.
Frau Leonskaja ist eine Vertreterin eines schmucklosen Stils. Ein Teil der Faszination ihres Schuberts bezieht sich auf die Objektivität des Spiels. Mit am besten fand ich das Andante sostenuto der B-Dur-Sonate und vielleicht den Eingangsatz der c-Moll-Sonate.